Von der Steinzeit zur Atombombe | (Florentina Pakosta)
Von der Steinzeit zur Atombombe | Eine Zeitreise
Florentina Pakosta
Der Wert der Dinge, ebenso die Wertschätzung des Menschen, richten sich unter anderem nach Angebot und Nachfrage: Im Paläolithikum[1] herrschte der Glaube, die schwangere Frau allein sichere den Fortbestand der Gruppe / des Stammes. Bis heute zeichnen kriegerische Völker mit hohen Lebensverlustraten die vielfache Mutterschaft aus (Mutterkreuz im Zweiten Weltkrieg). Solange die Funktion der männlichen Sexualität nicht bekannt war, gab es vermutlich zwar kein Matriarchat (Frauenherrschaft), aber die Frau wurde wegen ihrer Gebärfähigkeit hoch geschätzt und verehrt. Das beweisen unter anderem Funde von Ausgrabungen wie zum Beispiel die Venus von Willendorf (ca. 30.000 Jahre alt).
Bei ungefähr acht Milliarden Menschen, die derzeit auf dem Planeten Erde leben, spricht man gelegentlich von der Gefahr der Übervölkerung (frühere Geburtenregelung in China). Da in unserer Zeit die Medizin fast jedes neu geborene Leben retten kann, unterscheidet sich die Achtung der (schwangeren) Frau von heute von jener vor 25.000 bis 30.000 Jahren. Wir kennen zwar kein Mutterkreuz, dafür aber den Muttertag, der weniger die Mütter ehrt, als er die Wirtschaft ankurbelt und letztlich auch zur Sicherung mancher Arbeitsplätze beiträgt.
Im Paläolithikum waren die Menschen Nomaden. Sie zogen von Ort zu Ort, hatten kaum Besitz und führten daher auch keine Kriege in unserem Sinn. Auch der Begriff Arbeit war ihnen unbekannt und, wie schon erwähnt, der Anteil des Mannes an menschlicher Reproduktion und somit der Begriff Vater. Ich vermute, dass sich die Wörter für Paradies, Adam und Eva auf diese Zeit beziehen.
Erst im Mesolithikum und Neolithikum, als viele Menschen sesshaft geworden waren, Boden und Vieh hatten, waren sie, um ihren Besitz zu pflegen, zur Arbeit gezwungen. Das genaue Beobachten der Tiere, die sie besaßen, ermöglichte die Erkenntnis des Anteils der männlichen Sexualität an neu geborenem Leben. Ab dieser Zeit veränderte sich das Verhältnis zwischen Mann und Frau. Das Ansehen der Frau hatte einen Tiefpunkt erreicht, von dem es sich bis heute nicht erholt hat. Die diesjährige Bilanz der von ihren Partnern bzw. Expartnern ermordeten Frauen spricht Bände: 14 in sechs Monaten in Österreich (ORF2, Juli 2023).
Die Wandlung des Ansehens der Frau von der Göttin zur dienenden Person hat auch in der bildenden Kunst Spuren hinterlassen. Triste Mimik und unterwürfige Körpersprache der weiblichen Heiligen wechseln in Museen mit den spärlich erhaltenen lebensfrohen Frauendarstellungen matrilinearer Kulturen ab. Weibliche Gottheiten wurden entmachtet, männliche Gottheiten traten ihre Reise von der Steinzeit zur Atombombe an.
Soziales Verhalten steht im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Strukturen und deren Veränderungen. Wie im Paläolithikum ist auch heute die Technik eine treibende Kraft in der Gesellschaft. Heute ist die Ärztin eine Selbstverständlichkeit, vor hundert Jahren war sie eine Ausnahme.
Nur Gleiches kann mit Gleichem sinnvoll verglichen werden. Simone de Beauvoir spricht in ihrem Buch „Le Deuxième Sexe“ (1949; deutsch: „Das andere Geschlecht“, 1951) vom kleinen Unterschied und seinen großen Folgen. Die Folgen dieses Unterschieds, der Zeit entsprechend realistisch gesehen, ergeben ein trauriges Bild.
Das ungeborene Leben wächst als Parasit im Körper der Frau heran. Der Ausnahmezustand der Schwangerschaft behindert sie schwer in ihrem Beruf, schränkt ihre Bewegungsfreiheit ein, macht sie von fremder Hilfe abhängig. Sie ist gezwungen, sich ihrer gereiften leiblichen Frucht unter starken Schmerzen zu entledigen, sonst stirbt sie.
Seit dem beginnenden Mesolithikum gehörte in Europa die Zukunft dem neuen Land und Vieh besitzenden Bauern. Die wandernden Hirten und Jäger wurden nach und nach Vergangenheit. Als bisher einziges, den Fortbestand des Stammes sicherndes Wesen verehrt, verlor die Frau ihren Status.
Erst wenn Frauen keine Kinder zur Welt bringen werden müssen, wird man ernsthaft über gleiche Rechte der Geschlechter reden können. Bisher gibt es für die Frau nur „Mildegaben“ und kleine Geschenke. Ein Leben mit Gentechnik und Künstlicher Intelligenz, in dem Maschinen Kinder ausbrüten und gebären[2] , ist heute ebenso vorstellbar, wie früher der Flug zu anderen Planeten oder wie ein Zahnimplantat.
Juli 2023
Erstmals erschienen in: Internationale Zeitschrift für Sozialpsychologie und Gruppendynamik in Wirtschaft und Gesellschaft, 48. Jahrgang, Nr. 147, 2. Heft 2023, S. 39-41.