Gustav Klimt Zeichnungen
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»Danae«
»Danae« 1907/08 (Band I)
Alice Strobl
Die Klimtforschung wies bereits darauf hin, dass die Studien für das auf der Wiener Kunstschau 1908 zum ersten Mal gezeigte und als »ganz neu« bezeichnete Gemälde »Danae« möglicherweise früher entstanden sind. [1] Wenig später wurde die Entstehungszeit eines mit den Studien für das angeführte Gemälde identifizierten und in der Klimt- Ausstellung der Piccadilly Gallery 1973 gezeigten Blattes (Kat. Nr. 1003) – der Frauenakt im Katalog dieser Ausstellung liegend reproduziert – mit 1905/07 festgesetzt. Ungefähr gleichzeitig brachte man den Entwurf eines mit aufgestelltem rechten Bein liegenden Aktes mit der Danae in Verbindung, [2] der jedoch zusammen mit zwei weiteren Blättern (Kat. Nr. 641–43) dazu gedient hatte, die Liegende der »Medizin« vorzubereiten.
Bei den Vorbereitungsarbeiten für das Gemälde »Danae« kehrte Klimt zu diesen nicht benützten Studien zurück – eine Gepflogenheit, die sich sehr oft im Schaffen Klimts wiederholte – und nahm sie zum Ausgangspunkt für eines der Stellungsmotive der Danae. Dies lässt sich sehr deutlich in den Studien (Kat. Nr. 1007, 1008) überprüfen, welche die Haltung der oberen Skizze in Kat. Nr. 643 mit gehobenem rechten und gestrecktem linken Schenkel seitenverkehrt variieren, während eine ganz ähnliche Darstellung in Kat. Nr. 1014 im gleichen Sinn erfolgte. Es fällt auf, dass sich in der Zwischenzeit sowohl der Zeichenstil als auch die Proportionen der Dargestellten etwas gewandelt haben.
In gleicherweise sprechen auch Papiermaß und -qualität, es handelt sich um Packpapier, ca. 450:310 mm, auf das Klimt sowohl mit Bleistift als auch mit Kreiden und Farbstiften zeichnete, für eine Entstehung um 1903. Ausschlaggebend erscheint weiters, dass eine Studie (Kat. Nr. 1000), die mit dem Modell für die Danae verbunden werden könnte und große stilistische Ähnlichkeiten mit den Entwürfen für diese aufweist, 1903 in Ver Sacrum reproduziert wurde. Darüber hinaus bestehen Querverbindungen zu den um 1902 entstandenen Skizzen für »Hoffnung I« und zu jenen für die »Jurisprudenz«. So zeigt etwa Kat. Nr. 967 Gemeinsamkeiten in der künstlerischen Auffassung mit Kat. Nr. 1001 oder Kat. Nr. 1000 mit Kat. Nr. 970, während Kat. Nr. 1010 eine sitzende Version der Studien für die linke der Erinnyen der »Jurisprudenz« (Kat. Nr. 884–887) wiedergibt. Selbst in Skizzen für das 1903/04 fertiggestellte Bildnis Hermine Gallia (vgl. Kat. Nr. 1001 mit 1021) und den Entwürfen für das Porträt Adele Bloch-Bauer von 1907 sind vergleichbare Züge vorhanden.
Klimt zeichnete zunächst Studien nach dem bekleideten Modell (Kat. Nr. 1001, 1002, 1004), von denen Kat. Nr. 1002 bereits die endgültige Haltung der Beine vorwegnimmt, den Körper jedoch in einer »dem Quadrat angenäherten Gliedmaßenverflechtung« [3] wiedergibt. Bei den übrigen Studien ging er von der Stellung der Leda des Michelangelo aus, die sich nur in Kopien erhalten hat. [4] Die Nähe zu dieser Darstellung ist in der seitenverkehrt wiedergegebenen Skizze (Kat. Nr. 1009) besonders spürbar, zeigt aber ebenso wie die Ausführung ein noch stärkeres Zusammenschließen des Körpers in der Profilansicht, was beim vollendeten Gemälde Anlass gab, von einem Einschreiben des Körpers in ein »geschlossenes embryonales Oval« zu sprechen, »das sich jedoch nicht abkapselt, sondern vom Fluss des Goldregens und des Schleiers ergriffen und dynamisiert wird. So ist die Gesamtgestalt ruhend und durchströmt, geschlossen und offen zugleich«. [5]
Klimt wählte die Wiedergabe einer der Liebschaften des Zeus, um in einer überhöhten Form unmittelbar auf den Zeugungsakt hinzuweisen, ein Thema, das ganz ausgezeichnet in den Zusammenhang seiner Gemälde »Hoffnung I und II«, »Die drei Lebensalter«, »Erwartung und Erfüllung« und »Der Kuss« passt.
Dass Klimt als Sinnbild für den Zeugungsakt gerade den Danae-Mythos wählte, dürfte weniger damit in Verbindung zu bringen sein, dass Danae die Mutter des Perseus war, der als Töter der Medusa in Klimts Thematik eine gewisse Rolle spielte, sondern künstlerische Erwägungen, die in Zusammenhang mit seinem »Goldenen Stil« standen. Dieser hatte seine Wurzeln bereits im Beethovenfries 1902, setzte sich in den Werken der »Goldene Apfelbaum« 1903, der »Goldene Ritter« 1903, »Wasserschlangen I« 1904–07 und dem Bildnis Adele Bloch-Bauer 1907 fort, um 1908 mit dem Gemälde »Der Kuss« seinen Höhepunkt und Abschluss zu erfahren.
Obwohl es sich bei der »Danae« um eines der erotischesten Gemälde handelt, die Klimt geschaffen hat, nahm keiner der zeitgenössischen Kritiker daran Anstoß. Berühmte Vorgänger in der Darstellung dieses oder eines ganz ähnlichen mythologischen Themas –Tizian, Correggio und Michelangelo [6] – haben dem Bild den Weg bereitet.
[1] Novotny-Dobai S. 341
[2] In den Auktionskatalogen des Frankfurter Kunstkabinetts und Hauswedell & Nolte, siehe Kat. Nr. 642
[3] Hofmann 1970, S. 36
[4] Hofmann 1970, S. 34 f.
[5] Hofmann 1970, S. 35
[6] Siehe zum Danaethema: E. Panofsky, Der gefesselte Eros, Zur Genealogie von Rembrandts Danae, in: Oud-Holland 1933, S. 193–217