Die Zwickel- und Interkolumnienbilder des Kunsthistorischen Museums und Studien
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- Biografie
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Essays
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- Aquarelle
- Deckenbilder für die Theater Fiume Karlsbad Hermesvilla
- Gemälde im Stiegenhaus des Wiener Burgtheaters
- Zuschauerraum im Alten Burgtheater
- Huldigungsadressen an Karl von Hasenauer und Erzherzog Rainer
- Die Zwickel- und Interkolumnienbilder des Kunsthistorischen Museums und Studien
- Bildnis des Hofschauspielers Josef Lewinsky als Carlos in Clavigo und »Allegorien Neue Folge«
- Musiksalon des Palais Dumba
- Klimts Entwürfe für das Secessionsgebäude – Allegorien Neue Folge und Ver Sacrum
- Illustrationen und Bildniszeichnungen
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Die Zwickel- und Interkolumnienbilder des Kunsthistorischen Museums 1890/91 und Studien 1890–1895 (Band I)
Alice Strobl
Der letzte Auftrag, den Matsch mit den Brüdern Klimt gemeinsam ausführte, waren die Zwickel- und Interkolumnienbilder im Stiegenhaus des nach Entwürfen von Gottfried Semper und Karl v. Hasenauer 1872–81 erbauten Kunsthistorischen Museums. Ursprünglich hätten diese Gemälde ebenso wie das Deckenbild von Makart geschaffen werden sollen. Durch seinen 1884 erfolgten Tod kam es nicht dazu. Lediglich zwölf Lünettenbilder, welche die großen Meister der Malerei und Bildhauerei zum Gegenstand haben, gelangten durch ihn zur Ausführung.
Einem unveröffentlichten Akkordprotokoll vom 28.2.1890 [1] sind die näheren Bestimmungen für die Künstlerkompanie zu entnehmen, an die sie sich bei der Arbeit zu halten hatte. Darin wurde mit Nachdruck gefordert, »dass sich die auszuführenden Zwickelbilder mit den vorerwähnten Gemälden (Makarts) sowohl in den Größenverhältnissen der Darstellungen als auch in der Farbe zu einem harmonischen Ganzen zu vereinigen haben werden. Aus gleichen Gründen ist auch auf das Materiale und die Farbe der neben den Zwickeln aufsteigenden Säulen, sowie auf jenes welches die Pfeilerwände bilden wird, Rücksicht zu nehmen«. Das Honorar für die vierzig Zwickelbilder betrug fl. 14.000. Als Ablieferungstermin der mit Öl auf Leinwand zu malenden Bilder war Ende Juli desselben Jahres vorgesehen, ein Zeitpunkt, der nicht eingehalten wurde, sonst hätte Klimt nicht in seinem Lebenslauf vermerkt, dass die Gemälde erst 1891, im Jahr der Eröffnung des Hauses (14.10.) fertiggestellt worden waren. Vor Inangriffnahme der Gemälde mussten jedoch die Skizzen dem Hof-Bau-Comité vorgelegt und von diesem genehmigt werden. Um diese dürfte es sich bei den Anfang des Jahres 1907 in der Klimt-Ausstellung von Keller & Reiner in Berlin gezeigten Entwürfen gehandelt haben, die als köstliche kleine Arbeiten bezeichnet wurden [2] und wohl in Farbe ausgeführt waren. Diese tauchten nie mehr auf, jedoch verwahren das Historische Museum der Stadt Wien und das Kunsthistorische Museum die mit Bleistift ausgeführten Übertragungsskizzen, die unmittelbar aus dem Nachlass stammen. Auch von diesen blieben nicht alle erhalten, ebenso wie von den Detailskizzen nur zwei (Kat. Nr. 241, 242) ausfindig gemacht werden konnten.
Das von Dr. Albert Ilg geschaffene Programm der Zwickel- und Interkolumnienbilder hatte die Entfaltung der verschiedenen Stile mit direktem Bezug auf den Sammlungsbereich des Kunsthistorischen Museums zum Gegenstand. Hier war sowohl die zeitliche Begrenzung als auch die Vielfalt der Sammlungsobjekte ausschlaggebend. Von Franz Matsch erfahren wir, dass der Großteil der Vorbereitungszeit mit kunsthistorischen Studien verbracht wurde. [3]
Von den dreizehn Klimt übertragenen Darstellungen fanden zehn auf der Nordseite und drei auf der Westseite des Stiegenhauses ihren Platz. Die gewählten Themen: ägyptische Kunst, griechische Antike sowie italienisches Quattro- und Cinquecento erwiesen sich bestimmend für Klimts späteres Schaffen. [4]
Die Darstellungen sind in der Art der Wiedergabe sehr verschieden voneinander. Noch vollkommen dem Historismus entspricht die Allegorie des »Venezianischen Quattrocento« (Kat. Nr. 238), die Giovanni Bellinis Brustbild des Dogen Loredan, das sich in der National Gallery in London befindet, als Kniestück im Profil nach rechts zusammen mit dem Markus-Löwen und Markusevangelium zeigt. Die Bemerkung, dass die Gestalten wie Paraphrasen vorhandener Kunstwirklichkeiten wirken [5] , trifft auf diese Darstellung im vollen Maß zu. Bei ihrem Gegenstück, der Allegorie des »Römischen Quattrocento« (Kat. Nr. 237), die entfernt an die Engel des Genter Altars Jan van Eycks denken lässt und die mit den Attributen Tiara, Pluviale und Pontifikalkreuz unmittelbar auf Rom, den Sitz des Papstes Bezug hat, ist durch die Wiedergabe der Gesichtszüge einer Bildniszeichnung (Kat. Nr. 246), die unmittelbare Verbindung zur Gegenwart gegeben. Die genannte Zeichnung hat wiederum als Vorstudie für das Gemälde »Zwei Mädchen mit Oleander« (Novotny-Dobai Nr. 59) gedient, das mit den Gemälden des Kunsthistorischen Museums in engstem Zusammenhang steht.
Eine Venus mit Amor, die wesentliche Merkmale von Botticellis sensibler Kunst vereinigt, wurde als Sinnbild für das »Florentinische Quattrocento« gewählt (Kat. Nr. 245). Bei ihrem Gegenüber, dem Michelangelo nachempfundenen David (Kat. Nr. 244), der »Leben angenommen« zu haben scheint [6] , ging es Klimt darum, das Charakteristische der Stellung des Vorbildes, die Verbindung von Profil- und Vorderansicht beizubehalten. Dagegen sind Form des Kopfes und Gesichtszüge in der Übertragungsskizze nicht jenen von Michelangelos David, sondern dem Haupt des Alkaios in dem Gemälde »Sappho« von Alma Tadema ähnlich [7] und weisen gleichzeitig auf die Stilisierungsform des Kopfes der Initiale D für das Märzheft von Ver Sacrum 1898 (Kat. Nr. 344) voraus. Bei der Allegorie »Ägyptische Kunst II« (Kat. Nr. 240) ging Klimt so weit, dass er die Kopfdarstellung des Mumiensarkophages, des Hathorkapitells und der Isisstatuette verlebendigte und ihre Gesichter mit seelischem Ausdruck erfüllte. [8]
Das stärkere Hervortreten von ausdrucksbetonten Darstellungen machte sich im Werk Klimts zusehends mehr bemerkbar. Am meisten in die Zukunft weisend sind hier »Griechische Antike I und II«, worauf sowohl die ältere [9] als auch die neuere Klimtforschung [10] hingewiesen haben. Bei »Griechische Antike II« (Mädchen von Tanagra Kat. Nr. 239) wurde auf das Weiche, Feminine, Pseudosentimentale in der Vordergrundfigur, einem Mädchen mit Lorbeerkranz in der Linken aufmerksam gemacht. Vom linken Rand überschnitten ist es Betrachter bezogen vor einer Herkulesvase und der Statuette einer Sandalen lösenden Venus, von der das Kunsthistorische Museum zwei Exemplare aus römischer Zeit nach einem hellenistischen Vorbild aus dem 2. vorchristlichen Jahrhundert [11] verwahrt, dargestellt. Das Inhaltsbetonte wird in der Beziehung offenkundig, in dem die Vordergrundfigur zur Statuette der Sandalen lösenden Venus steht, die im Gegensatz zum Original mit herabhängendem Haar dargestellt ist. Hier werden erste Anregungen von Werken der Präraffaeliten und Symbolisten wirksam [12] , deren Kunst Klimts Studium des italienischen Quattrocento den Weg bereitet haben mag. Auf die Nähe zu Klimts »Musik II« von 1898 wurde hingewiesen [13] , dem darf noch ein weiteres Werk, eine Aquarellstudie für die Randleiste des Märzheftes von Ver Sacrum 1898, S. 13 re. (Kat. Nr. 363), hinzugefügt werden.
Zeitlich näher steht der Ausführung des »Mädchens von Tanagra« ein 1892 entstandenes Aquarell und dessen Übertragungsskizze (Kat. Nr. 251 und 250). Es zeigt eine weibliche Gestalt im Peplos an einem Tisch, auf dem sich eine antike Kopfvase mit Blumen befindet, deren Gesichtszüge wiederum verlebendigt sind. In ähnlicher Weise besitzt eine der Blumen des Hintergrundes, die neben einer antiken Vase mit einem Pferdegespann dargestellt ist, ein menschliches Gesicht. Alles scheint in Bezug auf die Vordergrundfigur wiedergegeben zu sein, wie dies auch bei dem mit antiken Ornamenten versehenen Tisch, dem mit quadratischen Platten belegten Fußboden und dem orientalischen Teppich den Anschein hat, der auf der rechten Seite ins Bild kommt, in der Übertragungsskizze jedoch noch nicht vorhanden war. Auffällig ist die Lichtbehandlung. Hauptsächlich die vom Betrachter abgekehrte Seite des Kopfes ist vom Licht überstrahlt, das gerade noch die Profillinie akzentuiert. Die Figur lässt in ihrer Haltung und ihrem Ausdrucksgehalt an die Allegorie der »Skulptur« (Kat. Nr. 235) und an die beiden Studien Kat. Nr. 229/30 denken, die hier möglicherweise wieder aufgenommen wurden.
Auch die zweite Darstellung »Griechische Antike I« (Kat. Nr. 239 rechts) wurde in ihrer strengen Verselbständigung und Frontalität als in die Zukunft weisend angesehen und mit Klimts Pallas Athene von 1898 (Novotny-Dobai Nr. 93) in Zusammenhang gebracht. [14] In der Übertragungsskizze fällt die Kreiskomposition auf, in die der Oberkörper der Pallas Athene und die Nike in ihrer rechten Hand einbezogen sind. In der Ausführung ist die Hilfskonstruktion als Schild hinter der Pallas Athene sichtbar gemacht. Dieses betont geometrische Element findet sich auch als Nimbus, Kartusche, architektonisches Detail oder Spiegel im Hintergrund der übrigen Zwickelbilder und dient der Verankerung der Figuren in der Fläche. Es leitet sich unmittelbar von einer Darstellung des »Dionysosaltares«, der liegenden Mänade, her, deren Haupt Klimt vor einem goldenen Schild darstellte und dieses wie von einer Aureole umgeben erscheinen ließ.
Die Frontalstellung des Gesichts in »Griechische Antike I« hatte eine unmittelbare Auswirkung auf Aktdarstellungen und Bildniszeichnungen der Periode 1892–95 (Kat. Nr. 248, 249, 253), die ebenfalls streng von vorn wiedergegeben sind. In gleicher Weise kommt auch die strenge Profilstellung (Kat. Nr. 254–258) vor. Nur ganz wenig von dieser Haltung weicht ein bisher unbekannt gebliebenes, in ganz zarten Farben, in verschiedenen Abstufungen von Weiß geschaffenes Pastell von 1891 ab, das Emile Flöge, die langjährige Freundin Gustav Klimts, im Alter von achtzehn Jahren darstellt (Kat. Nr. 247) und sich in einem von Klimt mit Kirschblüten bemalten Goldrahmen befindet.
In Verbindung mit dem Tod seines Bruders Ernst im Dezember 1892 steht der Ende 1893 geschaffene kleine Entwurf für dessen Grabkreuz auf dem Baumgartner Friedhof (Kat. Nr. 252). Sowohl die Strenge der Komposition als auch die Zeichenweise mit senkrechten parallelen Schraffen, die auch für die Kat. Nrn. 248–255 charakteristisch ist, fällt ins Auge. Gleichzeitig findet sich aber auch der mit Schrägschraffen arbeitende Zeichenstil (Kat. Nr. 258), der dann die zweite Hälfte der neunziger Jahre beherrscht. Immer wieder wurde von einer durch den Tod von Ernst Klimt verursachten Krise gesprochen und die geringe Anzahl der in diesem Zeitraum entstandenen Werke dafür verantwortlich gemacht.
Dem widerspricht Klimts eigene Aussage in seinem Lebenslauf vom Dezember 1893, in dem davon die Rede ist, dass er zu diesem Zeitpunkt mit einer größeren Anzahl von Werken aller Techniken beschäftigt sei und dass er den Auftrag für einen Musiksalon erhalten habe, mit dem wohl jener des Palais Dumba gemeint war. Auch scheint man damals bereits Klimts künstlerische Bedeutung richtig eingeschätzt zu haben, sonst wäre er nicht für die durch das Ableben Leopold Carl Müller vakante Professur zum Professor der Spezialschule für Historienmalerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien vorgeschlagen worden. Ein Antrag, der wie alle späteren auch, nicht angenommen wurde. [15]
[1] AVA, Hof-Bau-Comité Z. 21246
[2] Kunstchronik, 18. Jg. 1907, Nr. 22 Spalte 337s
[3] Giese 1977, S. 64
[4] Laut Nebehay 1969, S. 101, erfolgte die Aufteilung der Arbeiten durch das Los.
[5] Hofmann 1970, S. 20
[6] Hofmann 1970, S. 20
[7] Zimmern 1886, Abb. neben S. 1
[8] Freundl. Hinweis Doz. Dr. Helmut Satzinger
[9] Weixlgärtner S. 52
[10] Hatle S. 25 ff., Dobai 1958, S. 126
[11] Freundl. Mitteilung Dir. Dr. Wolfgang Oberleitner Inv. Nr. VI 336, VI 340
[12] Dobai 1958, S. 126
[13] Dobai 1958, S. 127
[14] Novotny-Dobai Kat. Nr. 43 und Bisanz-Prakken 1976, S. 9
[15] Archiv der Akademie der bildenden Künste. VA 1893–497