Gustav Klimt Zeichnungen
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Bildnis Marie Henneberg
Bildnis Marie Henneberg 1901/02 (Band I)
Alice Strobl
Zu den viel beachteten Bildnissen Klimts gehörte auch jenes von Marie Henneberg, der Frau eines der bekanntesten Techniker der künstlerischen Photographie, Radierer und Holzschneider, Dr. Hugo Henneberg. [1] Das auf der 13. Ausstellung der Secession im Februar- März 1902 noch in unvollendetem Zustand gezeigte Bildnis präsentierte Klimt sowohl auf der Kollektiv-Ausstellung seiner Werke in der Secession 1903 als auch 1904 auf der ersten Ausstellung des deutschen Künstlerbundes in München.
Die meisten der wenigen erhaltenen Entwürfe zeigen Marie Henneberg im Lehnstuhl sitzend. Manche von ihnen schließen in ihren Haltungen unmittelbar an Studien für das Bildnis Sonja Knips von 1898 an, darunter auch die einzige, Maria Henneberg neben dem Lehnstuhl stehend, wiedergebende Skizze (Kat. Nr. 735), die weitgehend jener (Kat. Nr. 411) von Sonja Knips entspricht. Ähnlich ist es auch bei einem Blatt (Kat. Nr. 737) in sitzender Stellung, das sich von den Studien für Sonja Knips (Kat. Nr. 421/22) herleitet, während die beiden anderen breitformatigen Darstellungen im Gegensinn (Kat. Nr. 739/40) ebenso wie die hochformatigen (Kat. Nr. 732–34) die Komposition in der Diagonale noch stärker betonen. Etwas davon blieb auch in den Studien (Kat. Nr. 736, 738) erhalten, die sich ebenso wie die Ausführung durch eine Wendung des Oberkörpers dem Betrachter zu, auszeichnen (Kat. Nr. 738). Von der Wiedergabe Frau Hennebergs mit Hut (Kat. Nr. 732, 734–36) nahm Klimt bald Abstand, während er das von Anfang an gewählte schlichte Kleid, in der Ausführung von perlgrauer Farbe, bis zum Schluss beibehielt. Durch eine in Kaskaden fallende Stola mit silbergrauen Streifen verlieh er ihm ebenso wie durch einen Strauß violetter Veilchen, der bereits in den Skizzen (Kat. Nr. 735, 737/38) zu erkennen ist, einen besonderen Akzent. Ein derartiger Shawl, Ball-Entrée genannt, gelangte bereits 1898 in Bildnisstudien Klimts zur Darstellung (Kat. Nr. 396), jedoch erschienen dort die zu Dreiecken vereinfachten Formen von Bedeutung, während es im Bildnis Marie Henneberg um den linearen Reiz der Plissées, der in diesen Teilen hervortritt, geht (Kat. Nr. 735, 736, 739/40). Diese Studien dürften spätestens 1901 entstanden sein, im selben Jahr, in dem Klimt auch seinen Beethovenfries entwarf. Tatsächlich gibt es hier zu dessen Studien Querverbindungen. So entspricht Kat. Nr. 732 in der Gesamtform weitgehend der Studie einer der »Schwebenden Gestalten« (Kat. Nr. 749), und die Haltung des Kopfes, des Ober- und Unterarms sowie der Hand dieser Zeichnung sind wiederum ähnlich der Studie für das Bildnis Henneberg (Kat. Nr. 734).
Aus den Studien geht noch nicht hervor, in welchem Maße Klimt im ausgeführten Gemälde bemüht war, die Wirkung der Darzustellenden durch entsprechende Komposition des Lehnstuhles zu steigern. Man gewinnt den Eindruck, Klimt habe den für das Bild gewählten Stuhl – in einer deutschen Kritik des Bildes ist von einem Astralsessel die Rede [2] – selbst geschaffen, was jedoch durch die in »Interieur 1903« [3] reproduzierte Halle der von Josef Hoffmann entworfenen Villa Henneberg, in der ein ganz ähnlicher Stuhl zu erkennen ist, widerlegt wird. In dessen schwingende Umrissform erscheint die Gestalt von Frau Henneberg fest eingebunden. Besonders fällt die Art auf, mit der ihr Kopf mit den über den Betrachter hinwegblickenden Augen in die Rückenlehne des Stuhles hineinkomponiert ist, deren flache Kurve sowohl an den Kopf der Sphinx der Übertragungsskizze für die »Philosophie « (Kat. Nr. 477) als auch an den Kopfputz der Hygieia in der Studie (Kat. Nr. 517) ebenso wie in der Ausführung der »Medizin« denken lässt. Unterschiedlich zu diesen Gestaltungen handelt es sich bei dem Bildnis Marie Henneberg jedoch um eine konkave Form. Auch die Haltung der rechten Hand, die in der Skizze (Kat. Nr. 737) nur angedeutet ist und möglicherweise von einem der Bildnisse Ingres angeregt wurde, etwa jenem der Baronin James de Rothschild [4] , verrät in der Ausführung eine ganz ähnliche Stellung wie sie die Hygieia der 1901 vollendeten »Medizin« zeigt. Weitgehend diesem Fakultätsbild ähnlich ist auch die Farbfleckstruktur des Hintergrundes und des Stuhles, von dem sich wie in anderen Bildnissen Klimts das naturnah wiedergegebene Gesicht abhebt. Mit seinen feinen Grautönen und wenigen Farbakzenten, dem Sfumato des Stoffes, das an Whistler denken lässt, sowie den plissierten Rüschen weist die Behandlung des Kleides auf das Bildnis Hermine Gallia von 1903/04 voraus.