Gustav Klimt Zeichnungen
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Bildnis Hermine Gallia
Bildnis Hermine Gallia 1903/04 (Band I)
Alice Strobl
Für das 1904 datierte, seit kurzem in der National-Gallery in London befindliche Bildnis Hermine Gallia, Frau des Regierungsrates Moritz Gallia, entstanden drei verschiedene Studienreihen, von denen jede einen bestimmten Bildnistypus variiert. Wie aus einer Abbildung des auf der Klimt-Kollektive November-Dezember 1903 gezeigten Zustandes des Porträts hervorgeht [1], hatte Klimt 1904 nur mehr ganz minimale Änderungen – etwa im Ausdruck des Gesichts – in dem laut Katalog als unvollendet bezeichneten Werkes vorgenommen. Die Studien dürften 1902/03 zusammen mit den Studien für die »Justitia« und die »Lex« der »Jurisprudenz« entstanden sein, denen sie in der Spannungslosigkeit der mit dünner Kreide gezogenen Umrisslinien, die keine Strichkonzentrierungen aufweisen, nicht unähnlich sind und mit denen sie auch manche Motive gemeinsam haben. So erinnert der in leichter Schwingung oder gerade herabhängende Teil der Toga in den genannten Zeichnungen (Kat. Nr. 930/31, 938, 940) an jene Studien, die Hermine Gallia mit einer lang herabfallenden Boa zeigen (Kat. Nr. 1031–34, 1045–47). Klimts Interessen waren bei diesem Bildnis in erster Linie auf die große architektonische Form und weitgehendere Stilisierungen gerichtet. Dies kommt in der ersten Studienreihe, die noch stark den Zusammenhang mit dem Porträt Henneberg dokumentiert, nicht so sehr zum Ausdruck. Hier findet sich sowohl die Wiederaufnahme des Motivs mit aufgestütztem Kopf (Kat. Nr. 1017/18) als auch die mit ineinander gelegten Händen beinahe von vorne wiedergegebene Sitzstellung (Kat. Nr. 1019–1024). Einige dieser Studien, besonders Kat. Nr. 1019/20 und 1024 betonen eine mit der Boa oder auch mit den Armen gebildete gerundete Form. Auch die im Lehnstuhl breitformatig gezeichnete Profilhaltung (Kat. Nr. 1027) schließt unmittelbar an Kat. Nr. 737 an und kehrt in seitenverkehrten Varianten (Kat. Nr. 1028–30) zum Teil abgekürzt wieder.
In der zweiten Studienreihe, die Hermine Gallia stehend wiedergibt, benützte Klimt einen Porträttypus, den vor allem Van Dyck in seinen genuesischen Damenbildnissen verwendet hatte. Diese zeigen die Porträtierte in ganzer Figur nach links stehend, das Gesicht dem Betrachter zugewendet. Die Gestalt ist auf eine spitzwinkelige Dreiecksform reduziert, deren senkrechter linker Abschluss das Architektonische dieser Figur unterstreicht. Auf der rechten Seite schwingt die Schleppe weit aus, die ganz wenig vom Rand überschnitten wird. [2] In den Studien Kat. Nr. 1031/32, 1036/37 erzielte Klimt, indem er auch das Gesicht der Profilstellung unterordnete, eine noch strengere, fest in der Fläche verankerte Form, die er jedoch in den Entwürfen (Kat. Nr. 1039–44,1047) durch die Wendung des Kopfes ins Dreiviertelprofil wiederum etwas auflockerte.
Klimt blieb nicht bei dieser strengen Lösung, die für die Körperproportionen Hermine Gallias nicht ganz geeignet erschien, und beendete seine Vorbereitung des Gemäldes mit einer Studienserie, die einen Linien-Reichtum aufweist, von dem die Blätter Kat. Nr. 1048–53 Zeugnis ablegen. Dieser bezieht sich sowohl auf die Binnenform als auch auf den Umriss, der sowohl mit geschwungenen als auch mit gezackten Linien wiedergegeben ist, Züge, die in der Ausführung noch eine Steigerung erfuhren. Das mit einer Schleppe und gebauschten Rüschenärmeln versehene Kleid, das Klimt vom Anfang an zum Ausgang seiner Studien gemacht hatte, wurde nun mit einer capeartigen Rüschenboa, jenem »Ball-Entrée« kombiniert, den bereits Marie Henneberg trug und der möglicherweise zu den Requisiten von Klimts Atelier gehörte. Trotz des Fehlens einer Übertragungsskizze, lassen sich alle wesentlichen Züge, die das ausgeführte Bildnis charakterisieren, den vorhandenen Studien (Kat. Nr. 1048–1053) entnehmen. Die Skizze (Kat. Nr. 1049) entspricht in der Haltung des Kopfes und in der nach vorn gezogenen Schleppe im Gegensinn dem vollendeten Porträt. Unterschiedlich zu diesem weist sie jedoch eine viel stärkere S-Schwingung auf, welche durch die in den Studien Kat. Nr. 1050–52 vorbereitete stärkere Drehung des Oberkörpers zum Betrachter und durch die ineinander gelegten Hände wieder aufgehoben wurde. Die vom unteren Rand viel stärker als beim Bildnis Serena Lederers überschnittene Schleppe trägt weniger zu einer Streckung der Figur als zu einer Steigerung des Formenreichtums des Kleides bei, der für die zu diesem Zeitpunkt auf einem sehr hohen Niveau stehende Wiener Mode genauso charakteristisch war wie fließende Gewänder ohne Betonung der Taille. [3] Mit seinen zarten Grautönen, in denen nur ganz wenige farbige Akzente angebracht sind, ist das Bildnis Hermine Gallia Whistlers Porträts sehr verwandt. [4] Der Formenreichtum der Rüschen des Gemäldes gab Anlass zur Entfaltung einer Variante von Klimts reifem Zeichenstil, wie er in den Studien für ein nicht ausgeführtes Bildnis Magda Mautner-Markhof und in einer Reihe sehr schöner Halbaktdarstellungen um 1904 vorliegt.
[1] Die Kunst X, 1904, S. 355
[2] Vgl. die Bildnisse der Marchesa Catarina Durazzo (Glück 183) und der Marchesa Elena Grimaldi-Cattaneo (Glück (187) sowie die beiden Porträts der Paolina Adorno und der Marchesa Brignole Sale (Glück 193 u. 201).
[3] L. Hampel, Manuskript eines 1978 in Lissabon im Rahmen der ICOM gehaltenen Vortrags: Zeitschrift »Wiener Mode«
[4] Dobai 1968, S. 91