Gustav Klimt Zeichnungen
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Bildnis Sonja Knips
Bildnis Sonja Knips (Band I)
Alice Strobl
Klimts Bemühungen um das weibliche Bildnis der Jahre 1896–98 gipfeln in dem Porträt von Sonja Knips, das im November-Dezember 1898 in der zweiten Ausstellung der Secession zum ersten Mal zu sehen war. Auf der Pariser Weltausstellung von 1900 wurde es von den französischen Malern, aber auch vom Redakteur des Figaro, Arsène Alexandre, sehr bewundert [1] und fand selbst bei deutschen Kritikern Anerkennung. [2] Die österreichische Presse nahm erst anlässlich der Ausstellung dieses Bildes in der Klimt-Kollektive 1903 Stellung, nachdem sie von den frühesten, nach der Gründung der Secession geschaffenen Werken Klimts etwas Abstand gewonnen hatte. Hevesi [3] bezeichnete es als das erste Bildnis im neuen Stil, als das es auch heute noch betrachtet wird. Darüber hinaus wies Bertha Zuckerkandl auf ein zweites, verschollenes Porträt von Klimts Mutter hin, das ebenfalls als eines der ersten secessionistischen Bildnisse [4] Erwähnung fand, in dem sich der Eindruck des seinerzeit so bahnbrechenden Bildnisses der Mutter Whistlers spiegelte (Abb. S. 128). Vom Klimtschen Porträt ist nur die Wiedergabe des Kopfes bekannt (Novotny-Dobai Kat. Nr. 90). Rudolf Zimpels Angabe, es habe sich um eine Darstellung in einem Armstuhl gehandelt, lässt die von Zeitgenossen festgestellte Anregung durch Whistler möglich erscheinen. Wie man bereits 1903 feststellte [5], ist auch das Bildnis Sonja Knips von Whistlers Kunst berührt, was sowohl im Format des Bildes, in dem Sfumato der Gewandbehandlung und der Zartheit des Kolorits, den abgestuften Rosatönen zum Ausdruck kommt, die sich zwar bereits auf Klimts Farbenskala des Burgtheaterinterieurbildes befanden, im Bildnis Sonja Knips jedoch zum Hauptakzent wurden.
Für eine Entstehung der Studien für dieses Porträt Ende 1897 spricht die Federzeichnung einer nach links ins Bild tretenden jungen Frau (Kat. Nr. 410), deren Züge an Sonja Knips denken lassen und die sich durch den hohen schmalen, die Figur auf der rechten Seite weitgehend überdeckenden, Ausschnitt zeitlich in die unmittelbare Nähe der Ende 1897 entstandenen Randleiste (Kat. Nr. 367) einordnet. Klimt skizzierte Sonja Knips in den verschiedensten Stellungen und entwarf das Bildnis sowohl als Hoch- als auch als Querformat (Kat. Nr. 420–22), bis sich im Gemälde der Quadratausschnitt als beste Lösung anbot. Das im ausgeführten Bild von Sonja Knips in der rechten Hand gehaltene, in rotem Saffianleder gebundene Notizbuch findet sich bereits in einigen Studien (Kat. Nr. 412, 418, 422–24). Diese kleinen Büchlein, in denen Klimt seine ersten Ideen ähnlich der Darstellung in Kat. Nr. 422 zu skizzieren pflegte, lagen in seinem Atelier überall auf dem Boden herum [6] und gingen leider während des Zweiten Weltkrieges beim Brand der Flöge'schen Wohnung zugrunde. [7] Die wenigen erhaltenen dokumentieren die Fülle von Einfällen und wie weit oft der Weg vom ersten Einfall bis zur Ausführung war. Die einfache Zeichenweise der Stellungsstudien für das Bildnis, die mit wenigen Strichen das Wesentliche andeutet, beschränkt sich hauptsächlich auf die Umrisse. Nur in wenigen (Kat. Nr.411, 414, 419) wurde von Schraffen Gebrauch gemacht, um Licht- und Schattenkontraste anzudeuten. Dagegen bestimmten Bündelungen von Pinselstrichen die Struktur des Gewandes im gemalten Bildnis.
Das zarte Rosa des Kleides gab Veranlassung, Sonja Knips als »seerosengleich vor einen dumpfen, dunkelgrau-braunen Hintergrund gesetzt, der in unbestimmbare Tiefen zu führen scheint« zu charakterisieren (Abb. S. 134). [8] Die Vorstellung, Klimt habe zur Zeit, als er sich mit »Fischblut«, »Bewegtes Wasser« und den Atterseelandschaften beschäftigte, auch wasserrosenähnliche Wesen darstellen wollen, erscheint im Hinblick auf ein Gedicht des Künstlers »Die Wasserrose « aus den letzten Schaffensjahren nicht abwegig. [9]
Ein Weiher im Hintergrund des Bildes sowie ein fischähnliches Wesen nahe dem oberen Rand [10] geben dieser Interpretation noch mehr Gewicht. Ein Ansatz zum symbolistischen Bildnis erscheint hier gegeben, wie es sich bei Fernand Khnopff oder Gabriel Dante Rossetti findet, von dem auch die Anregung zu den im Hintergrund von Sonja Knips wiedergegebenen Orchideen stammen könnte.
Klimt ging es in seinen Bildnissen in erster Linie um Wesenserfassung, was auch seine Zeitgenossen entsprechend zu würdigen wussten. Von Frauenschilderungen ist die Rede, »die aus dem Reich des Individuellen ins ewig Typische erhoben sind« [11] oder es wird vom »sublimirten Extract des modernen Frauentypus« gesprochen [12], den Klimt in seinen Bildnissen wiederzugeben wusste.
[1] Wr. Allg. Ztg. 15. Nov. 1903: Figaro illustre Les Sections Etrangères à l'Exposition de 1900, S. 10, Farbabbildung
[2] Die Welt-Ausstellung in Paris 1900, Unter Mitwirkung von Fachmännern, herausgegeben v. A. J. Meier-Graefe, Paris u. Leipzig 1900, S. 92
[3] Hevesi 1906, S. 451
[4] Wr. Allg. Ztg. 15. 11. 1903, S. 6
[5] J. J. David, Gustav Klimt, in: Die Nation, Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft und Literatur, 21. Jg. Nr. 8, herausgegeben v. Dr. Th. Barth, S. 124
[6] Strobl 1978, S. 126
[7] Nebehay 1969, S. 359
[8] H. P. Zürchner S. 75
[9] Österr. Privatbesitz. Veröffentlicht im Ausstellungskatalog Wien, Albertina 1962, vor Taf. I
[10] Worauf mich freundlicherweise Dr. Hansjörg Krug aufmerksam machte.
[11] H. Ubell, Die Klimtausstellung der Wiener Secession, in: Die Gegenwart, 64 Bd. Nr. 52, S. 409
[12] B. Zuckerkandl, Gustav Klimt, in: Allg. Wr. Ztg. 14.11. 1903