Gustav Klimt Zeichnungen
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Musiksalon des Palais Dumba
Musiksalon des Palais Dumba 1898/99 (Band I)
Alice Strobl
Zu den Werken Klimts, die zur Zeit ihrer Entstehung am wenigsten der allgemeinen Kritik ausgesetzt waren und die größte Bewunderung ernteten, gehörte die Supraporte für den Musiksalon des Palais Dumba »Schubert am Klavier«. In der 3. Ausstellung der Secession (12.1.–20.2.1899) wurde das Werk – Hermann Bahr hatte es als das schönste Bild, das jemals ein Österreicher gemalt hat, bezeichnet – zum ersten Mal gezeigt, während das Supraportenbild »Musik« bereits in der 1. Secessions-Ausstellung (26.3.–15.6.1898) zu sehen war. Heute wird das Schubertbild als das am Beginn der Reifeperiode stehende Hauptwerk angesehen, »in dem Wesenszüge von Klimts Kunst und seiner Persönlichkeit in besonders konzentrierter und reiner Form zum Ausdruck kommen«.
Während beide Supraportenbilder 1928, noch vor Auflösung der Dumba'schen Wohnung nach dem Tode der Witwe 1937, in die Sammlung August Lederer gelangten und 1945 in Schloss Immendorf verbrannten , blieben die ersten Fassungen, »Musik I« in den Bayerischen Staatsgemälde Sammlungen (Neue Pinakothek) München, die sie bereits 1901 erworben hatte und »Schubert am Klavier I« in Privatbesitz erhalten. Obwohl die kleinen Fassungen in der Höhe um 7 cm und in der Breite um 4.5 cm voneinander abweichen, haben beide als Ausgangspunkt für die ausgeführten Supraporten möglicherweise auch als Vertragsgrundlage gedient. Letzteres erscheint jetzt wahrscheinlicher als früher, da neueste Forschungen ergaben, dass Gustav Klimt bereits 1893 den Auftrag erhalten hatte. Die Einsicht des Verfassers in die Originalakten des Archivs der Akademie der bildenden Künste, im speziellen in den von Klimt eigenhändig geschriebenen Lebenslauf vom 21. Dezember 1893 ließ bei dem Passus: »Gegenwärtig arbeite ich ... an der Ausschmückung eines Musiksalons« vermuten, dass es sich dabei um jenen des Palais Dumba handelte. In dieselbe Richtung wiesen auch Matsch's Angaben im Zusammenhang mit seiner Gestaltung des Speisezimmers im Palais Dumba, in denen davon die Rede ist, Klimt und Matsch hätten von Nikolaus Dumba die Aufforderung zur Ausstattung je eines Zimmers gemeinsam erhalten, was durch Hevesi dahingehend ergänzt wurde, dass Matsch 1893 beauftragt worden sei. Diese Hinweise finden in einem unbeachtet gebliebenen Artikel von Karl Kraus in der Fackel vom Anfang April 1899, in dem von Nikolaus v. Dumba die Rede ist, ihre Bestätigung: »Er hatte die Bilder für sein Musikzimmer bei Klimt bestellt, als dieser noch in der braven Art der Laufberger-Schule arbeitete und sich höchstens ein paar Makart'sche Extravaganzen gestattete. In der Zwischenzeit war aber dem Maler der Khnopff aufgegangen, und jetzt ist er, damit die Geschichte nicht ohne Pointe bleibt, Pointillist geworden. Und das muss natürlich der Besteller alles auch mitmachen. So war Herr von Dumba ein Moderner.« Sicher war dieses Urteil im Hinblick auf Hermann Bahrs zitierte Äußerung vom »schönsten Bild, das je ein Österreicher gemalt hat«, etwas gehässig ausgefallen. Es muss dabei die Feindschaft in Betracht gezogen werden, die Kraus und Bahr voneinander trennte, und von Kraus auch auf Klimt übertragen wurde. Dennoch enthielt seine Aussage, die er 1901 in einem anderen Zusammenhang wiederholte , auch manches Richtige. Selbst die neuere Klimtforschung ordnete dieses Werk in der silhouettenartigen Wirkung der dargestellten Personen, seiner Lichtauffassung und der pointillistischen Faktur der Kunst des Neoimpressionismus zu, während sie in der ersten Fassung impressionistische Ausdrucksweise feststellte , wesentliche künstlerische Unterschiede, welche die Entstehungszeit der bisher mit 1898/99 festgelegten 1. Fassung nochmals überdenken haben lassen. Ein Vergleich der allegorischen Figur in »Musik I« von 1895 sowie den im Profil und enface wiedergegebenen Gestalten des Bildes »Liebe« mit »Schubert am Klavier I« legt eine Entstehung des letztgenannten Gemäldes um 1896 nahe. In Bezug auf die 1898 vollendete »Musik II« reiht es sich vor diese, die sich ebenfalls stilistisch von ihrer ersten Fassung deutlich unterscheidet. Während sich letztgenannte bis auf das Sfumato ebenfalls mit dem Gemälde »Liebe« aus demselben Jahr berührt und auch Ähnlichkeiten mit den Studien für »Weltliche Musik« (Kat. Nr. 284–286) zeigt, entspricht »Musik II« ganz dem Stil der 1897 entstandenen Figuren.
Die neuen zeitlichen Ansatzpunkte sowohl jener der Vergabe des Auftrages als auch der für die 1. Fassung von »Schubert am Klavier« (1896/97) erscheinen für die vorhandenen Studien von Bedeutung. Mit »Musik I« ließ sich aufgrund ihrer Haltung nur eine einzige Zeichnung, eine seitenverkehrte Aktstudie (Kat. Nr. 288), verbinden, die sich auch wegen ihrer Zeichenweise, Verwendung senkrechter Schraffen, gut in den Zeitraum 1894/95 einordnet. Alle Studien für »Musik II«, sowohl die Porträtskizzen (Kat. Nr. 289/90) als auch die Stellungsstudien, in denen das Lauschen nach Tönen zum Ausdruck gebracht werden sollte (Kat. Nr. 292–295), sind durch zwei 1897 datierte Blätter (Kat. Nr. 291 und 299) zeitlich fixiert. Daran schließen sich drei Skizzen des Modells in Ruhestellung, von denen Kat. Nr. 297/98 erstmals das später oft verwendete Motiv des auf die Hand gestützten Kopfes zeigen.
Die ältesten für den Musiksalon des Palais Dumba entstandenen Studien dürften jedoch die Zeichnungen Kat. Nr. 300–305 sein, die Frauengestalten mit einem Notenblatt in der Hand, manche von ihnen auf einem Postament stehend, zeigen. Der Umstand, dass sich auf der Rückseite von Kat. Nr. 305 eine der ersten, wohl 1894 entstandenen, Darstellungen für die »Hygieia« (Kat. Nr. 512) des Fakultätsbildes »Medizin« befindet und deren Ähnlichkeit in der zeichnerischen Wiedergabe mit den Studien der singenden Frauengestalten, macht auch für die Gruppe Kat. Nr. 300–305 ein derartiges Entstehungsdatum wahrscheinlich. Dass manche dieser Figuren (Kat. Nr. 300–303) in starker Untersicht gezeichnet sind, lässt auf ein von den Supraportenbildern abweichendes Konzept schließen.
Es könnte sein, dass Klimt ähnlich wie Makart und Matsch bei ihren Gestaltungen des Palais Dumba zunächst auch an Darstellungen an den Wänden gedacht hat. Das Motiv singender Mädchen nahm Klimt jedoch in »Schubert am Klavier« wieder auf, was aus den Studien (Kat. Nr. 306–310) hervorgeht. Vergleicht man mit diesen die 1895 datierte Bildstudie (Kat. Nr. 258), die der Tradition nach Emilie Flöge darstellen soll, und die mit 1897 gesicherten Entwürfe für »Musik II« (Kat. Nr. 289–299), so kommen als Entstehungsdatum die Jahre 1896–97 in Betracht. Dasselbe gilt auch für die Darstellung eines singenden und spielenden Mädchens (Kat. Nr. 311), das sich durch die Lichtbehandlung besonders auszeichnet, sowie die Studien eines am Klavier sitzenden Mannes Kat. Nr. 312–314 und die beiden Gruppen (Kat. Nr. 315–16). In allen diesen Studien ebenso wie in der 1. Fassung von »Schubert am Klavier« zeigt der Klavierspieler noch nicht die Züge Schuberts.
Außer den Studien für die Supraporten liegen aber auch Entwürfe für die architektonische Gestaltung des gesamten Raumes vor. Auf die nicht erhaltene Reinzeichnung der in Kat. Nr. 318 wiedergegebenen Plafondskizze und auf die aquarellierte Zeichnung Kat. Nr. 319 sowie auf weitere verschollene Studien beziehen sich zwei Briefe Klimts an Nikolaus von Dumba vom 9.2. und 21.4.1897. Klimt schrieb im ersten darüber, dass er bei Dumbas nächstem Besuch in seinem Atelier eine den Eindruck des gesamten Raumes vermittelnde Skizze für das Plafondbild fertig haben werde.
Tatsächlich wurde der Plafond auch in dieser Weise ausgeführt, wie der Reproduktion in Kunst und Kunsthandwerk zu entnehmen ist. Hevesi schrieb dort darüber: »Die weiße Flachdecke hat wieder goldene Appliken in besonderer Anordnung. Sternenkränze und ineinandergehängte Schlängellinien bilden in der Mitte ein luftiges System für sich, während in den Ecken, wiederum so inselartig, goldene Zweige mit Blüten sich zu leicht hingeschwungenen Kreisen schlingen. >Wir Architekten< sagte ein bekannter Baukünstler, >wir glauben, wir müssen das verbinden< ...«
Im späteren Schreiben teilte Klimt dann mit, dass sämtliche architektonischen Skizzen fertig seien, er müsse sie nur noch etwas kolorieren. Diese Kolorierung trifft auf zwei erhaltene Studien (Kat. Nr. 312 und 319) zu, von denen die erstgenannte den Klavierspieler zeigt. Das Ergebnis dieses Atelierbesuches Nikolaus v. Dumbas, der, wie aus mehrmaligen Besuch in Klimts Atelier zu schließen (Klimt hatte ihn auch am 31. Oktober 1896 zu einer Vorlage fertiggestellter Skizzen, die möglicherweise mit den beiden Supraporten in Zusammenhang standen, eingeladen) , sehr am Fortschreiten der Arbeiten interessiert gewesen sein muss, ist nicht bekannt.
Dennoch unterscheiden sich diese Studien in manchen Belangen von der Ausführung. Sicher in Klimts Entwicklungsgang mögen die Veränderungen zwischen Entwurf (Kat. Nr. 319) und Ausführung der Türlösungen gelegen sein, in denen sich eine stärkere Stilisierung der architektonischen Details bemerkbar macht. In der Endlösung ruhen die von Klimt entworfenen und von seinem Bruder Georg ausgeführten, grün patinierten Nikefiguren auf neu hinzugekommenen Büsten auf, die wiederum die Bekrönung bandartiger Pfeiler bilden. Die antiken Ordnungen sind ins Flächig-Ornamentale umgesetzt, was sich besonders deutlich in der Gestaltung der neben der Supraportentür befindlichen Öffnung ausdrückt, für deren Formen die Bezeichnung »Secessions-Klassizismus« volle Gültigkeit hat. Die wichtigste inhaltliche Änderung, die zwischen »Schubert am Klavier I« und »Schubert am Klavier II« ebenso wie in der Skizze hierfür (Kat. Nr. 317) stattfand, war, dass in der Endfassung der Klavierspieler die Züge Franz Schuberts trägt. Es wäre durchaus denkbar, dass diese Änderung von Baron Nikolaus v. Dumba bewirkt wurde, der in seiner Jugend ein hervorragender Schubertsänger war und auch eine bedeutende Sammlung Schubert'scher Autographen besaß. Das Bildnis Schuberts dürfte durch jenes des Aquarells von Leopold Kupelwieser »Gesellschaftsspiel der Schubertianer in Atzenbrugg« 1821 angeregt worden sein , das sich damals im Besitz Dumbas befand und in dem von Klimt gestalteten Raum aufgehängt wurde. Genauso gut kann aber auch von Anfang an festgestanden haben, dass Schubert am Klavier dargestellt werden sollte und Klimt hatte nur die Stellung an verschiedenen Modellen studiert, um in der Endphase dem Klavierspieler die Züge Schuberts zu verleihen.
[1] Novotny 1963, S. 100
[2] Novotny 1963, S. 90
[3] Novotny 1963, S. 90; Nebehay 1969, S. 176 f.
[4] Es sei hier Herrn Dr. W. Cerny für alle Hilfe sehr herzlich gedankt.
[5] Giese 1978, S. 53
[6] Siehe Nebehay 1969, S. 254, Anm. 5
[7] Novotny 1963, S. 93, 98
[8] Novotny-Dobai Nr. 100
[9] Vgl. Studien für die Randleiste von Ver Sacrum, Märzheft 1898, Kat. Nr. 362/63, 366/67
[10] Eine Malerei war damit bestimmt nicht gemeint, wie Nebehay 1969, S. 177, nach Anm. 2b angenommen hatte. Siehe die Briefe I. N. 54768 und 54767, Handschriftensammlung der Wiener Stadt- u. Landesbibliothek
[11] Siehe Abdruck des Briefes bei Nebehay 1969, S. 177
[12] Novotny 1963, S. 100, Anm. 1
[13] Nebehay 1969, S. 171
[14] Novotny-Dobai S. 11
[15] Heute im Hist. Mus. d. Stadt Wien