Gustav Klimt Zeichnungen
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Thalia und Melpomene Ende
Thalia und Melpomene Ende 1898 (Band I)
Alice Strobl
Die Bleistiftzeichnung »Thalia und Melpomene«, die Klimt erstmals im November-Dezember 1899 in der großen Graphikausstellung der Secession zeigte, dürfte im Zusammenhang mit »Allegorien Neue Folge«, in deren Themenbereich sie ausgezeichnet passt, entstanden sein. Bei der Klimt-Kollektive 1903 wurde sie noch einmal ausgestellt und wenige Tage nach deren Eröffnung verkauft.
Bei der Darstellung von »Thalia und Melpomene« beschränkte sich Klimt auf die Wiedergabe der Köpfe, die er, dem unterschiedlichen Wesen der beiden Musen entsprechend, auch der Form nach in einen Kontrast zueinander setzte. Für die Muse der Komödie wählte er ein durch Rundungen charakterisiertes, lachendes Gesicht in Dreiviertelansicht, während er die Muse der Tragödie mit einem strengen Profil zeichnete (Kat. Nr. 441). Ein kürzlich aufgetauchtes Skizzenblatt (Kat. Nr. 440) deutet durch einen Abgrenzungsstrich links an, dass Klimt zunächst nur an die Wiedergabe dieser beiden Köpfe gedacht hatte, die auf einem Blatt mit einem etwas breiteren als dem quadratischen Format vorgesehen war. Diese Größenverhältnisse gaben auch einen Hinweis auf mögliche Quellen, die Klimt für seine Darstellung benützt haben könnte. Hier bot sich eine nahezu quadratische, aquarellierte Federzeichnung mit abgeschrägten Ecken an, die von Johann Victor Krämer (1861–1949) geschaffen und als Buchillustration im 1. Heft von Ver Sacrum, Jänner 1898, S. 7, reproduziert wurde. Die mit Blumen geschmückten, im Gegensinn zu Klimts Werk dargestellten Köpfe nehmen auf den »Heiligen Frühling« unmittelbar Bezug. Ein weiteres, in der Komposition sehr ähnliches, wenig später in der Münchener »Jugend« publiziertes Blatt mit dem Titel »Flirt« von Heinrich Froitzheim (1866–1904), zeigt einen lächelnden Mädchenkopf im Dreiviertelprofil und einen Satyr im Profil nach links [1] , das Klimts Darstellung weitgehend vorbereitet.
In Verbindung mit Klimts »Thalia und Melpomene« wurde auch auf eine 1895 entstandene breitformatige Lithographie, »Der Sämann« von Jan Toorop, hingewiesen. [2]
Dass Klimt bei der Wiedergabe der »Thalia« zunächst an eine enface-Darstellung dachte, beweisen zwei Studien (Kat. Nr. 433/34), jedoch scheint er zum Zwecke der Kontraststeigerung die Wiedergabe im Dreiviertelprofil (Kat. Nr. 438) vorgezogen haben, wie sie auch in der Darstellung Krämers vorliegt. Für die Ausführung hielt er jedoch ein lachendes Gesicht in der Art der Froitzheim'schen Illustration für geeigneter, dessen Rundungen er durch den Schwung der Haare, die er außerdem mit Kringeln versah, zu unterstreichen wusste.
Auch die durch ein schmales langes Gesicht mit eingefallenen Wangen und herabfallenden Haaren charakterisierte Muse der »Tragödie« fand in Studien nach dem Modell (Kat. Nr. 428–432) eine sorgfältige Vorbereitung. In der Zeichnung (Kat. Nr. 430) führte Klimt das Haar mit parallel verlaufenden Linienzügen aus, in denen blaue und rote Kreidestriche miteinander alternieren. Gegenüber der 1897/98 verwendeten Zeichenweise mit dichten, kürzeren Schraffenlagen, die immer wieder ab- und neu ansetzen, stellt dieser durch vertikal durchlaufende Linien charakterisierte Zeichenstil, der in den Studien (Kat. Nr. 430, 432) nur für das Haar Verwendung fand und in der Ausführung von »Thalia und Melpomene« das ganze Blatt bedeckt, eine Variante dar, die auf Toorops Vorbild – dessen (Große) »Sphinx« war auf der Jahresausstellung des Künstlerhauses 1899 zu sehen – zurückgeführt werden kann. [3]
Ähnliche Strukturen finden sich auch in einem Blatt (Kat. Nr. 432), dessen besonderer Reiz in der Rahmung des schmalen Profils mit dunklem Haar und in der Verwendung von blauem Stift liegt.
In der Ausführung haftet »Melpomene«, die von Kolo Mosers im ersten Heft von Ver Sacrum 1898 reproduzierten Farblithographie »Dekorativer Fleck in Roth u. Grün« berührt sein dürfte, etwas vom Ausdruck des Attributs der Muse der tragischen Schauspielkunst an, die in der Antike häufiger als Maske in Vorderansicht zu finden ist, aber auch in Profilstellung vorkommt, wie etwa in dem aus dem Haus des Vergil in Sousse stammenden, in der Mitte des 3. Jahrhunderts entstandenen Mosaiks »Der Dichter Vergil und die Musen Klio und Melpomene« im Bardo Museum in Tunis. [4] In antiken Wiedergaben von »Klio« und »Melpomene«, die sich zusammen mit den anderen sieben Musen sehr häufig auf Sarkophagen finden [5] , ebenso in Musendarstellungen des 19. Jahrhunderts wie auch bei Klimt (»Josef Lewinsky«, »Tragödie« Kat. Nr. 340, »Die Musik I«), wurden immer weibliche Figuren als Attributträger wiedergegeben. Unterschiedlich dazu stellte Klimt in »Thalia und Melpomene« nur die Köpfe der Musen dar, denen er den Ausdruck des entsprechenden Attributs verlieh und weitere verlebendigte Masken am oberen Rand des Blattes andeutete.