Gustav Klimt Zeichnungen
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»Judith« und Illustrationsentwürfe für Ver Sacrum
»Judith« und Illustrationsentwürfe für Ver Sacrum 1899–1901 (Band I)
Alice Strobl
Wie der kaum leserlichen Beschriftung der oberen Skizzen des Blattes (Kat. Nr. 711) zu entnehmen ist, stehen diese mit Entwürfen für einen Katalogumschlag der Pariser Weltausstellung in Zusammenhang. Anregend mag für die Viktoriendarstellungen ein von Franz v. Stuck um 1889 geschaffener Siegesgenius [1] gewesen sein, von dessen horizontal ausgebreiteten Flügeln Klimt nur das mittlere Motiv auswählte und die Gestalt geometrisch vereinfacht in einer T-Form fest in der Fläche verankert wiedergab. Nachdem dieser Katalogumschlag nicht zur Ausführung gelangte, nahm Klimt die Darstellung zum Ausgang für weitere Studien (Kat. Nr. 712/13), um damit die Widmungsadresse für Rudolf v. Alts 88. Geburtstag in Ver Sacrum (November 1900) vorzubereiten. Durch einen Brief Klimts an Josef Maria Auchentaller (1865–1949), der damals im Redaktionskomitee dieser Zeitschrift tätig war [2] , ist die Fertigstellung der mit Tusche geschaffenen Reinzeichnung (Kat. Nr. 714) – Klimt wünschte sich deren Ausführung in Gold oder Farbe – in den Monaten Juli oder August 1900 bekannt. In dieser verschob Klimt die »Victoria« aus der Mitte nach rechts, verlieh der Figur selbst fließende, geschwungene Linien und ersetzte die Weltkugel durch zwei Kinder als Symbol für das Wachsen und Gedeihen der Kunst.
Der »Victoria« stilistisch sehr verwandt ist auch die letzte für Ver Sacrum (1901) geschaffene Buchillustration »Musik« (Kat. Nr. 715), die »Musik I« von 1895 in den inzwischen gewandelten Stil von 1900 graphisch umsetzt. Auch hier lieferte die antike Vasenmalerei, die Darstellung »Ismene am Brunnen« (?) [3] die Anregung für die Hintergrundgestaltung. Jedoch ging es dabei in erster Linie um dekorative Belange, um Formentsprechungen für die Darstellung des Vordergrundes, wie sie in der nach links stehenden, vom oberen Rand beinahe zur Hälfte überschnittenen Gestalt und dem ovalen Schild auf der rechten Seite vorliegen.
Die beiden unteren bisher nicht identifizierten Skizzen auf dem Blatt (Kat. Nr. 711) dienten für die graphische Reduktion (Kat. Nr. 710) des Gemäldes Pallas Athene von 1898. [4] Neu hinzu kamen jedoch die vom Helm der Athena Parthenos des Phidias herrührende Helmzier, die auch in Klimts Allegorie der »Skulptur« von 1889 wiedergegeben ist, im vorliegenden Blatt jedoch in beiden Skizzen nur angedeutet wurde. In der Ausführung brachte Klimt eine vom oberen Rand überschnittene Sphinx auf dem Scheitel der Göttin als Gegenstück zur Gorgo am unteren Rand an (Kat. Nr. 710) und verwendete die Komposition, nachdem wie erwähnt der Katalog für die Pariser Weltausstellung nicht zustande kam, für den Umschlag des 1. Heftes von Ver Sacrum 1900. Dies setzt ein Entstehungsdatum in der zweiten Hälfte von 1899 voraus, das in ähnlicher Weise für die auf der Rückseite gezeichneten Kompositionsskizzen für »Irrlichter« (Kat. Nr. 685) eine zeitliche Einordnung um die Jahrhundertwende nahelegt. 1900 dürften auch die drei Bildnisstudien (Kat. Nr. 716–718) geschaffen worden sein, die mit keinem ausgeführten Bildnis näher zu verbinden sind. In diesen Zusammenhang gehört ebenso die aus einem Skizzenbuch stammende Darstellung für die »Judith« von 1901 (Kat. Nr. 709). Felix Salten sah in Klimts »Judith« weniger die Darstellung einer Heroine des Alten Testaments als das Bildnis einer »Mondainen« seinerzeit. [5] Heute wird sie als eine der ersten »femmes fatales« in Klimts Werk angesehen. [6]
Abschließend sei auf eine weitere in Ver Sacrum publizierte Buchillustration, auf den Monat Januar des Kalenders für 1901 hingewiesen, von dem sich die Reinzeichnung mit einer eigenhändigen Anweisung für die Ausführung erhalten hat (Kat. Nr. 719). Das von Klimt als »Saturnus« bezeichnete Blatt zeigt den Gott der Zeit als beherrschende geflügelte Gestalt mit dem Stundenglas in der Mitte einer sich in den Schwanz beißenden Schlange; in der Nähe ihres Kopfes befindet sich ein als Beginn des Jahres gedeutetes junges Mädchen mit nach hinten geneigtem Kopf, dessen Wiedergabe Klimt zusammen mit dem Haupt des Saturn von einer seitenverkehrten Darstellung in Toorops großer »Sphinx« abgeleitet hat. [7] Die Darstellung der alten Frau, die mit dem zu Ende gehenden Jahr verbunden wurde, leitet sich von der Allegorie des »Wissens« her und fand seitenverkehrt Verwendung. In der Endphase scheint Klimt eine Darstellung Aubrey Beardsley's, die Königin Guenever als Nonne in »Le Morte Darthur«, berücksichtigt zu haben [8] , was vor allem in dem dunklen, die ganze Gestalt verdeckenden Gewand als auch in der Verschleifung des Umrisses, insbesondere der Kopf-Rückenlinie, zum Ausdruck kommt. Dennoch unterscheidet sich Klimts Gestalt durch die Geschlossenheit der Gesamtform und den Rhythmus der geschwungenen Kontur vom Vorbild sehr wesentlich.