Gustav Klimt Zeichnungen
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Illustrationen und Bildniszeichnungen
Illustrationen und Bildniszeichnungen 1896–1898 (Band I)
Alice Strobl
In den Jahren 1896–98 entstanden zahlreiche Bildniszeichnungen. Unter ihnen überwiegen zunächst Brustbilder, die bis auf wenige Ausnahmen (Kat. Nr. 377, 394) mit keinem gemalten Porträt in Zusammenhang zu bringen waren, und wohl vom Künstler als selbständige Bildniszeichnungen ausgeführt wurden. Manche wurden in Ver Sacrum 1898 reproduziert (Kat. Nr. 382, 388–90, 392/93, 398), was darauf hinweist, dass Klimt sie der Veröffentlichung würdig erachtete. Dies gilt wohl auch für jene in der Mappe von J. Casper Berlin 1899 herausgegebenen Blätter (Kat. Nr. 386/87, 273, 280, 291 und 299). Klimt hat in diesem Zeitraum auch einige wenige anekdotische Zeichnungen (Kat. Nr. 371–373) geschaffen. Dazu gehören zwei Skizzen (Kat. Nr. 371/72) für eine Glückwunschadresse zum 10. Hochzeitstag eines Freundes oder Bekannten. Menschen des alltäglichen Lebens sind nicht ohne Situationskomik mit einigen wenigen Strichen, manche geradezu in geometrischer Abkürzung dargestellt, die ganz ähnlich in den sorgfältig studierten Blättern (Kat. Nr. 374–76, 393) wiederkehren.
Impulse für die Wiedergabe von Brustbildern dürften in erster Linie von Franz Stuck ausgegangen sein, der auf der Wiener Ausstellung der Münchener Secession im Dezember 1895 mit Pastellbildnissen hervortrat und dessen Werke auch in zahlreichen Publikationen, etwa in »Pan« oder »Jugend«, veröffentlicht wurden.
In seinen Bildniszeichnungen machte Klimt in erster Linie von der vielfältigen Anwendung von Schraffen Gebrauch. In manchen von ihnen (Kat. Nr. 388) überwiegen Schrägschraffen, die von rechts oben nach links unten verlaufen und als »Graphischer Regen« bezeichnet wurden. [1] Ob Klimts Zeichenweise Radierungen von Anders Zorn angeregt hatten, den Hevesi (1906, S. 74) als den »Schraffengewaltigsten unter den Meistern der Nadel« bezeichnete, ist eher ungewiss. Zum ersten Mal waren von Zorn 1895 in der Internationalen Graphikausstellung der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst eine Reihe von Blättern zu sehen, jedoch bereits lange vorher, sowohl bei den Studien für das Burgtheaterinterieur (Kat. Nr. 214–16, 221/22) als auch bei Arbeiten, die 1890–95 entstanden (Kat. Nr. 250, 252, 254, 258), kamen Schraffenlagen in Klimts Zeichnungen zur Anwendung. Möglicherweise wurde ab 1895 dieser Zeichenstil bei Klimt durch Anders Zorn intensiviert.
Wie jedoch bereits Hevesi durch seine Bemerkung andeutete, war Zorn nicht der einzige, der mit Schraffen arbeitete, die oft die gesamte Bildfläche einnahmen. Diese Zeichenweise kann als international bezeichnet werden, sie findet sich auch in Frankreich (z. B. bei Pascal Dagnan-Bouveret) und in anderen Ländern; Klimt schöpfte alle Möglichkeiten aus, um besondere Wirkungen zu erzielen. Ein von ihm in der ersten Ausstellung der Secession gezeigtes Damenbildnis (Kat. Nr. 389) ist sicher als Höhepunkt dieser »maniera« anzusehen. Die Schwarz-Weißskala reicht hier vom bewusst freigelassenen Streifen Papier, als Spender höchster Helligkeit auf der rechten Seite, bis zu den extremen Dunkelheiten des Pelzes, der das durch den Lichtspalt erhellte, mit feinsten Schummerungen herausgearbeitete Gesicht rahmt. Rote Kreide setzte in den Haaren den einzigen farbigen Akzent. Die radial mit leichten Winkelabweichungen verlaufenden Schraffen des Pelzumhanges deuten Volumen an. Ein besonderer Reiz geht von dem kleinen, in die Helligkeit des Lichtspaltes hineinragenden Teiles des transparenten Hutschmuckes aus. [2]
Diesem wie auch den anderen im Dreiviertelprofil wiedergegebenen Brustbildern (Kat. Nr. 383–95, 400, 406–08) stehen auch einzelne in Vorderansicht gezeichnete Bildnisse gegenüber (Kat. Nr. 398, 405). In der Überzahl sind jedoch die Profilbildnisse. Als wichtiges Beispiel dieser Art ein Pastell, das Kniestück einer im Lehnstuhl nach links sitzenden Dame (Kat. Nr. 392), das auf dem Gebiet des Bildnisses in seiner Eingebundenheit in die Fläche ein Gegenstück zur »Tragödie« (Kat. Nr. 340) bildet.
Der von der Klimtforschung in den 1898 gemalten Bildnissen festgestellte Einfluss des Porträts der Mutter von James Abbot McNeill Whistler hat auch für die Zeichnungen dieser Art Geltung. Allein die größere Anzahl der Profildarstellungen dürfte darauf zurückzuführen sein. Derartige Anregungen liegen wohl auch der alten Frau des Doppelbildnisses (Kat. Nr. 382) zugrunde, der auch die Haltung des in dem Blatt (Kat. Nr. 397) dargestellten Mannes entspricht; seine Stellung ist wiederum jener der Modelle für »Schubert am Klavier I« (Kat. Nr. 312/13) nicht unähnlich. Varianten des von Whistler herkommenden Motivs, einer in einem Lehnstuhl sitzenden Frau, sind aber auch in der Zeichnung (Kat. Nr. 388), in welcher der Lehnstuhl durch Überschneidungen des Umhanges eine sehr eigenwillige Form angenommen hat sowie in Kat. Nr. 391/92 und 401 festzustellen. Aus manchen Bildniszeichnungen (Kat. Nr.395/96 und 408) sind mit Ausnahme der Haare Schraffen und Schummerungen verschwunden. Für diese Blätter sind Umrisslinien bestimmend, eine Art des Zeichenstils, der in die Zukunft weist.