Gustav Klimt Zeichnungen
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Bildnis Adele Bloch-Bauer
Bildnis Adele Bloch-Bauer 1907 (Band I)
Alice Strobl
An dem 1907 datierten Bildnis Adele Bloch-Bauer, Frau des Großindustriellen Ferdinand Bloch, war Klimt besonders viel gelegen. Auf dem Gebiet des Porträts ist es als Hauptwerk des »Goldenen Stils« anzusehen, das der Künstler mit einer großen Anzahl von Studien vorbereitet hat. Von den ungefähr hundert ausfindig gemachten Blättern besitzt die Albertina die schönsten. Sie wurden 1948 vom damaligen Direktor des Instituts, Univ.-Prof. Dr. Otto Benesch, aus einem Konvolut gezeichneter Entwürfe ausgewählt, das ihm von der Familie Bloch-Bauer in großzügiger Weise vorgelegt worden war. Der größte Teil der Studien für dieses Bildnis gelangte seit 1960 bei Kornfeld und Klipstein, Bern, in den alljährlichen Versteigerungen zum Verkauf.
Die Entstehungszeit dieser Blätter, die zum überwiegenden Teil noch auf Packpapier mit Kreide gezeichnet sind, dürfte 1903/04 anzusetzen sein. Klimt nahm in diesen Studien, die wiederum einen Höhepunkt seiner Zeichenkunst darstellen, alle in seinen vorangegangenen Porträts verwendeten Bildnis-Typen auf, entwickelte einige neu, um in den ausgereiftesten Blättern zu einer Linieneurhythmie zu gelangen, die nicht mehr zu überbieten war (Kat. Nr. 1138).
Unter den mindestens zehn für dieses Bildnis geschaffenen Studienreihen und Skizzen von einzelnen Gewändern, könnte Klimt mit jenen Darstellungen den Anfang gemacht haben, die Adele Bloch-Bauer im Straßenkleid zeigen (Kat. Nr. 1054–57) und bisher als Vorstufe für das Bildnis Adele Bloch-Bauer II von 1912 (Novotny-Dobai Nr. 177) galten. Dies ist sowohl aus künstlerischen Erwägungen als auch wegen der Verwendung von Packpapier auszuschließen, das Klimt 1912 schon lange nicht mehr benützte. Dem Stil nach stehen diese Blätter in einem engen Zusammenhang mit den Studien für das Bildnis Hermine Gallia und anderen vorangegangenen Porträts. Das Prinzip des senkrechten Abschlusses nach einer Seite hin findet sich auch hier, was die Studien Kat. Nr. 1062 und 1065 beweisen. Letztgenanntes Blatt zeigt, um wieviel besser sich Adele Bloch-Bauers zarte Gestalt für diese Stilisierungsform eignete, der Klimt selbst das Gesicht mit seiner strengen Begrenzung unterwarf. Schließlich übertrug der Künstler diesen Bildnistypus auch auf Sitzfiguren (Kat. Nr. 1058–61, 1066–68, 1070, 1079–80, 1084/85), die ebenso wie die Studien mit stehender Haltung (Kat. Nr. 1065) die Schräge auf der rechten oder linken Seite betonen. In dieser Art der Wiedergabe berühren sie sich mit Madonnendarstellungen um 1400, etwa jenen von Lorenzo Monaco (Muttergottes mit Kind, National-Gallery, Washington). Der Endphase des Bildnisses Hermine Gallia (Kat. Nr. 1049) sind die gezeichneten Entwürfe (Kat. Nr. 1089/90) weitgehend nahe, während Klimt in der Studie (Kat. Nr. 1091) auf jene von Ingres gerne verwendete Haltung, bei der sich der Ellbogen auf das Knie stützt und die Hand das Gesicht berührt (Baronin James de Rothschild), zurückgriff. In den Skizzen (Kat. Nr. 1058–95) finden sich die verschiedensten Kleider, in denen die Dekolletés variieren sowie große und kleine Muster (Kat. Nr. 1058–69, 1074, 1081–84), aber auch Plissées und Capes verschiedener Größe (Kat. Nr. 1089–95) zur Anwendung gelangten.
Besonders geeignet, die Gestalt in einer großen Form zusammenzufassen, erwiesen sich die Entwürfe mit einem bis zum Boden reichenden Umhang mit hochgestelltem Kragen und Rüschenbesatz, die meistens als Vorbereitung für das Bildnis Adele Bloch-Bauer von 1912 angesehen wurden. Abgesehen von einigen Studien, die Adele Bloch-Bauer sitzend mit dieser Bekleidung zeigen (Kat. Nr. 1096–1100), wurde die Reihe wohl mit der Profilstellung des Körpers (Kat. Nr. 1101/2) und mit senkrechtem Abschluss nach der linken Seite zu, begonnen. Die weiteren Studien zeigen sie in allen Stadien der Drehung bis zur Frontalstellung (Kat. Nr. 1103–1113), die in Kat. Nr. 1114 ihre geometrische Ideal-Form innerhalb der Reihe erreicht. Das Hieratische der Darstellung lässt an das Bildnis der Kaiserin Theodora in San Vitale in Ravenna denken, das auf Klimt während seiner ersten Reise in diese Stadt im Mai 1903 einen ungeheuren Eindruck gemacht haben muss. Möglicherweise hatte Alfred Roller, der selbst 1899 dorthin fuhr, Klimt zu dieser Reise angeregt.[1] Auch könnte ein 1901 erschienener Artikel Richard Muthers über den besonderen Reiz dieser damals wenig besuchten Stadt[2] Klimt veranlasst haben, nach Ravenna zu reisen.
Gleichzeitig weist aber die Studie Kat. Nr. 1114 auch in die Zukunft, sie nimmt in ihrer kegelförmigen Gestalt die Sonnenblume von 1906/7 (Novotny-Dobai Nr. 146) voraus.
Unmittelbar auf das ausgeführte Bildnis beziehen sich jene Studien, die Adele Bloch-Bauer in einem fließenden Kleid mit oder ohne Jäckchen zeigen (Kat. Nr. 1116–39); weder vor noch nachher hatte Klimt einen derartigen, durch Faltengeriesel erzeugten Linienreichtum in Zeichnungen wiedergegeben. Dazu kam das Motiv der lange herabhängenden offenen Ärmel (Kat. Nr. 1121), die in manchen Studien innerhalb des Gesamtumrisses eine Sonderform bilden (Kat. Nr. 1016, 1122, 1126, 1128, 1137, 1139), in anderen kaskadenförmig herabfallen (Kat. Nr. 1132/33). Die Umrisse werden durch konkave (Kat. Nr. 1129), kurvilineare (Kat. Nr. 1130) wie auch durch vorwiegend konvexe Linienschwünge bestimmt (Kat. Nr. 1131), in die auch der Lehnstuhl einbezogen ist. Rechteckige und quadratische Polster setzen Akzente im Rücken und zu Füßen der Dargestellten, deren Rocksäume ein bewegtes Eigenleben führen, und an ähnliche dekorative Wirkungen in japanischen Holzschnitten denken lassen (Kat. Nr. 1032/33, 1136–39). Auf den Einfluss japanischer Kunst in Klimts Zeichnungen wiesen seine Zeitgenossen bereits 1903 anlässlich seiner Kollektiv-Ausstellung hin[3], und seit kurzem weiß man aus zwei Briefen an Marie Zimmermann[4], dass Klimt sich bereits 1902 intensiv mit seinen »Japanischen Büchern« auseinandersetzte. Die besondere Faszination, welche die ravennatischen Mosaiken auf den Künstler ausgeübt haben, kommt auch in farbigen Blättern zum Ausdruck. Sowohl in jenen mit violetter Kreide oder Farbstift gezeichneten, die an Purpur denken lassen (Kat. Nr. 1131, 1143), als auch in einem Blatt (Kat. Nr. 1135), in dem es Klimt allein mit linearen Mitteln, gelben Kreidestrichen, gelang, die Wirkung des Goldes im vollendeten Porträt vorwegzunehmen. Gleichzeitig ist das Blatt ein Beweis dafür, dass bereits zu diesem Zeitpunkt 1903/04 die Ausführung in Gold geplant war.
In den die endgültige Fassung des Bildnisses vorbereitenden Kostümstudien (Kat. Nr. 1144–1151) kehrte Klimt wiederum zu einem strengeren System zurück. In dem Blatt Kat. Nr. 1151 deutet der mittlere vordere vertikale Streifen jenen Teil des Kleides an, den Klimt dazu bestimmte, ägyptische Augenornamente und Dreiecksmuster aufzunehmen, während er goldene Rechtecke und Quadrate, von denen manche ihre Anregung japanischen Signaturstempeln verdanken[5], auf die Seitenteile setzte, um das bauschige Ausladen der lang herabhängenden Ärmel in die Fläche zu bannen.
Bereits anlässlich seiner ersten Austeilung im Frühjahr und Sommer 1907 in Mannheim wurde das Gemälde Bloch-Bauer von Hevesi mit den ravennatischen Mosaiken im allgemeinen und jenem der Theodora in San Vitale im Besonderen in Zusammenhang gebracht[6], was auch die neuere Forschung bestätigte.[7]
Das als »Idol in einem goldenden Schrein« bezeichnete Bildnis[8] hat mit der Darstellung der byzantinischen Kaiserin manches gemein. Hier wie dort leuchtet das Inkarnat inselartig aus dem Goldgrund hervor und steht zu den ornamentierten Flächen in einem deutlichen Kontrast. Jedoch ist bei Klimt der Unterschied in den verschiedenen angewandten Stilisierungsgraden größer als bei dem Meister, der in Ravenna schuf.