Gustav Klimt Zeichnungen
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Allegorien und Embleme
Allegorien und Embleme 1881-1884 (Band I)
Alice Strobl
Dieses lange Weiterleben der Allegorie über das 19. Jahrhundert hinaus erklärt sich daraus, dass der strenge Kanon, der für ihre Darstellung zur Zeit der Renaissance und des Barock herrschte und auch in Büchern festgelegt war, durchbrochen wurde und die Künstler der Allegorie gegenüber eine viel freiere Einstellung einnahmen, so dass es oft für die Wiedergabe eines Begriffes eine Vielfalt von Darstellungen gab.
In Schönfelds Besprechung wurden auch Klimts Werke zum ersten Mal von der Kritik zur Kenntnis genommen und seine »Reiche der Natur« (Kat. Nr. 47) hinsichtlich der Komposition als zum Besten der Sammlung gehörig hervorgehoben, gleichzeitig aber auch auf die »bedenkliche Verwandtschaft sowohl im Gesicht als auch in der Stellung mit einem der lgnudi Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle in Rom« aufmerksam gemacht. Dem wäre hinzuzufügen, dass auch in den beiden weiblichen bekleideten Sitzfiguren ganz ähnliche Anregungen wirksam waren. Handelt es sich doch in diesem Werk um die erste selbständige Anwendung der beim Aktzeichnen erworbenen Kenntnisse, zu denen das Studium aller Stellungen der lgnudi gehörte. Dass darüber hinaus auch der Makarteinfluss in Einzelheiten, etwa in der lnbeziehungsetzung der weiblichen Gestalten mit den Putti, zum Ausdruck kommt, ist möglicherweise Julius V. Berger zu danken. Zur Bewältigung des Themas »Die Reiche der Natur« verwendete Klimt noch die Allegorie im alten Sinn, nämlich durch die Wiedergabe einer oder mehrerer Figuren mit Attribut. So ist die Allegorie des Tierreiches durch Löwe und Adler, das Pflanzenreich durch Bäume und Blumen und schließlich das Mineralreich durch einen Kristall in der Hand des Mädchens sowie durch einen Obelisk angedeutet.
In den bereits ein Jahr vorher, 1881, entstandenen Allegorien der »Tageszeiten« (Kat. Nr. 42), deren Randleiste sich unschwer von Maximilians Gebetbuch [3] , wahrscheinlich von deren lithographischer Vervielfältigung durch Strixner im 1. Viertel des 19. Jahrhunderts, ableiten lässt, sind die verschiedenen Tageszeiten durch Stellungen weiblicher Figuren erläutert, wie es auch Michelangelo in der Mediceerkapelle in Florenz getan hatte. Näher bestimmt wurde darüber hinaus der Morgen durch die Strahlen der aufgehenden Sonne, während die Allegorie des Mittags sich mit dem Fächer vor den Sonnenstrahlen schützt. Der Abend ist durch eine ein Saiteninstrument spielende Frau und die Nacht durch eine schlafende Frau mit Eule und Mohn am deutlichsten gekennzeichnet. Wohl aus diesem Grund fehlt in der Randleiste ein weiteres auf diese Darstellung bezügliches Attribut, während der Abend durch die Fledermaus und die Fackel sowie der Morgen durch einen krähenden Hahn noch näher charakterisiert sind. Hell- und Dunkelwerte wurden durch Kreuzlagen und Punktstrukturen erzeugt. Paul Schönfeld sah in den Tageszeiten »venezianische Vorbilder auf Makartsche Art zugerichtet«. Diese lnbeziehungsetzung mit Makart, die im Laufe des Schaffens von Gustav Klimt immer wieder erfolgte, dürfte hier von einem Zeitgenossen zum ersten Mal angewendet worden sein. Sicher ist, dass Klimt nach dem Tod seines Lehrers Ferdinand Laufberger 1881 zusehends mehr in den Bann Makarts geriet. Die beste in der Abteilung »Allegorien« gebotene Arbeit sah Paul Schönfeld in Klimts »Jugend« (Kat. Nr. 56), einer Darstellung von Mutter und Kind in einem in der Art des Desiderio da Settignano [4] wiedergegebenen Frührenaissancerahmens, nicht im strengen Sinn der Allegorie, sondern in der Art von Tizians »Himmlischer und irdischer Liebe« wiedergegeben. [5] Sicher ist auch der Frührenaissancerahmen unmittelbar von Klimts Schulungen ableitbar. Die beiden Figuren agieren wie auf einer Bühne. Belebtes und Unbelebtes ist einander gegenübergestellt und dieser Kontrast scheint gesucht. Dies findet sich auch später noch zur Zeit der Entfaltung des neuen Stils. Auf Ähnlichkeiten der weiblichen Figur mit jener des Hochzeitszuges Laufbergers in seinem Vorhang für die »Komische Oper« wurde hingewiesen [6] , dennoch ist das Figurenideal verändert, gelängter, was durch das Motiv der nach vorn gezogenen Schleppe noch gesteigert wird. Dieses Motiv findet in etwas veränderter Form Eingang in seine Damenbildnisse um 1900. Ebenso nahm Klimt die Stellung der Frau mit dem Kind zwanzig Jahre später in den »Drei Lebensaltern« wieder auf.
Auch für die dritte, 1883 entstandene Allegorie »Oper« (Kat. Nr. 70) wählte Klimt wieder einen architektonischen Renaissancerahmen. Wie eine Skizze kleinsten Ausmaßes in der linken unteren Ecke eines Blattes mit Detailstudien (Kat. Nr. 57) andeutet, dürfte Klimt zunächst an die Wiedergabe eines Sängers auf einer Freitreppe gedacht haben und sich ähnlich wie andere Künstler, die an Allegorien und Emblemen, 1. Folge, arbeiteten, für ein Genrebild entschieden haben. In der Ausführung ging er zu einer allgemein gültigeren Darstellung einer Sängerin über, die er von einem Kithara spielenden Apoll begleiten ließ. Die Verwendung von Kompositionsskizzen kleinsten Ausmaßes, die sich während Klimts gesamtem Schaffen entweder in Skizzenbüchern, öfters aber auch auf der Rückseite von Zeichnungen finden, in einem so frühen Stadium seiner Laufbahn, lassen darauf schließen, dass er diese Gepflogenheit von einem seiner Lehrer übernommen hat.
Die Stellung der Sängerin bereitete er mit Akt- und Gewandstudien (Kat. Nr. 67 und 68) vor. Besonders sorgfältig waren auch die Kinderstudien, die (Kat. Nr. 57–66) er für die Putten mit Musikinstrumenten für den architektonischen Rahmen benötigte.
Außer den für »Jugend« (Kat. Nr. 56) und »Oper« (Kat. Nr. 70) identifizierten Kinderstudien (Kat. Nr. 49–55 und 57–66) erhielten sich eine Reihe nicht näher bestimmbarer Skizzen (Kat. Nr. 74–92), die möglicherweise im Zusammenhang mit nicht mehr erhaltenen Fresken oder Ölgemälden entstanden. Dazu zählen die in Klimts Lebenslauf erwähnten Plafondbilder im Kursalon in Karlsbad (ebenfalls ein Fellner- und Helmer-Bau), deren einstige Existenz auch durch eine kürzlich erschlossene Quelle, die autobiographischen Skizzen von Franz Matsch [7] , bestätigt wird. Als Themen gab Matsch religiöse Musik, Jagdmusik, Tanzmusik und Hochzeitsmusik an. Auch war es bis auf eine Ausnahme nicht möglich für die auf der Aquarellskizze (Kat. Nr. 109) vorkommenden Putti sowie für jene des ausgeführten Vorhangs in Reichenberg die dazu gehörenden Studien zu identifizieren. In ganz letzter Zeit konnte die Studie eines Mädchens gefunden werden, die als Skizze für eine der Rahmendarstellungen des ausgeführten Reichenberger Vorhangs gelten kann. Sie wird erst im Nachtrag Aufnahme finden. Außerdem soll dort auch eine als Werk Klimts identifizierte weibliche Rückenfigur, für die sich jedoch keine Studie erhalten hat, näher behandelt werden. Dagegen ist die Studie für den im Boot stehenden Mann (Kat. Nr. 71) seit langem bekannt. Zu den zahlreichen, nicht identifizierten Kinderstudien sei noch bemerkt, dass Ferdinand Laufberger seine Schüler sehr viel nach Akten kleiner Kinder zeichnen ließ, um das rasche Erfassen einer Situation besonders zu schulen.[8]
Drei Medaillonskizzen (Kat. Nr. 72) auf der Rückseite einer Zeichnung sind als Studien für Miniaturen anzusehen, von denen die meisten zusammen mit Ernst Klimt und Franz Matsch für den Silberwarenfabrikanten Markowitsch geschaffen wurden, welcher der Künstlerkompanie einen Raum als Atelier in der Sandwirtgasse 8 ohne Entgelt zur Verfügung stellte. [9] Die vorliegenden drei Skizzen, von denen zwei Japanerinnen, die dritte eine Mutter mit Kind darstellen, könnten wie in Kat. Nr. 72 angedeutet, mit einem von J. Dobai in seiner Dissertation erwähnten Kästchen in Zusammenhang stehen [10] , das von Josef Hoffmann geschaffen wurde, um neun Miniaturen Gustav Klimts ein entsprechendes Dekor zu geben. Zwei dieser Miniaturen stellten Japanerinnen dar, eine davon mit Schirm.
Theatralisch mutet auch die letzte, 1884 entstandene Reinzeichnung Klimts für Allegorien und Embleme 1. Folge, »Das Märchen« (Kat. Nr. 93), an. Mit großem Pathos sind der dunkelhäutige Prinz und das junge Mädchen wie auf einer Bühne ganz im Vordergrund stehend wiedergegeben. Ihre Betrachter bezogene Darstellung wird durch eine Reihe von Gegensätzen bestimmt, die sich sowohl auf die Komposition – die Gegenüberstellung von Vorder- und Seitenansicht – als auch auf den Kontrast dunkler und heller Hautfarbe sowie der Beleuchtung beziehen. Eine Bilderläuterung bietet der Hintergrund, der außer kaum erkennbaren Kampfdarstellungen bei Fackelschein im unteren Teil in der oberen Zone zeigt, wie das Mädchen vom Prinzen seinen oder ihren Eltern zugeführt wird. Die geschilderten Ereignisse sind jedoch zu allgemein, um sie mit einem ganz bestimmten Märchen verbinden zu können. Es kann sein, dass es Klimt nur darum ging, auf das Wesen des Märchens hinzuweisen, ohne ein bestimmtes zu meinen. Die dem veröffentlichten Werk beigegebene Randleiste in Allegorien 1. Folge [11] zeigt in den Spruchbändern eines Medaillons, in dem ein Mädchen wiedergegeben ist, die Beschriftung: »Schneewittchen«. Die Reinzeichnung für diese Randleiste befand sich im Besitz von Gerlach & Schenk und scheint im Ausstellungskatalog des Rathauses 1901 unter der Nr. 285 auf. Während der Großteil der Reinzeichnungen für beide Serien, Allegorien und Embleme 1. Folge und Allegorien Neue Folge, vom Historischen Museum der Stadt Wien erworben wurde, gehörte dieses Blatt nicht dazu und ist seither verschollen. Mit dieser Darstellung wurde auf den Prototyp des deutschen Märchens hingewiesen und diesem das orientalische Märchen (Kat. Nr. 93) gegenübergestellt, als dessen Ursprungsland man im 19. Jahrhundert Indien sah. [12] Auf eine Übertragung des Märchens »Schneewittchen« ins Indische, die es auch gibt, hat Klimt sicher nicht Bezug genommen.
Mit der Hauptdarstellung des »Märchens« (Kat. Nr. 93) konnte mit Sicherheit nur eine einzige Studie (Kat. Nr. 94) verbunden werden, die das Standmotiv des Prinzen seitenverkehrt wiedergibt. Dagegen stehen die Studien (Kat. Nr. 95 und 96) nur in einem sehr losen Zusammenhang mit den einzelnen Figuren.
Ganz kleine, auf den Reproduktionen der Zeichnungen (Kat. Nr. 98–99) nicht sichtbare Skizzen sowie die Kopfstudie auf Kat. Nr. 98 und die Unterschenkelstudien auf Kat. Nr. 99 stellen eine Verbindung zu einer weiteren Darstellung Klimts für Allegorien und Embleme 1. Folge, der »Idylle« von 1884, her, die jedoch nicht als Reinzeichnung sondern als Ölbild ausgeführt wurde. Der Einfluss der Makart'schen Lünettendarstellung »Velazquez« für das Kunsthistorische Museum 1881–83 [13] ist evident, deren Randfiguren sich wieder deutlich von Michelangelos lgnudi ableiten lassen. Jedoch ist Klimt in der Wiedergabe der Athletenkörper Michelangelo näher als Makart. Aus dem Nachlass stammende Zeichnungen (Kat. Nr. 101 und 102) muten für Klimt etwas fremd an, werden jedoch durch die auf der Rückseite befindlichen kleinen Skizzen fester im Werk Klimts verankert.
[1] A. Strobl, Der Wandel in den Programmen der österreichischen Deckenfresken seit Gran und in ihrer Gestaltung, Ungedr. Dissertation Wien 1950, S. 63
[2] Wiener Sonntags- und Montagszeitung, 8.7.1907, Plein-air
[3] Dobai 1958, S. 103
[4] Dobai 1958, S. 103
[5] Schönfeld, S. 41
[6] Nebehay 1969, Abb. 75
[7] Giese 1978, S. 49
[8] Giese 1977, S. 7
[9] Giese 1978, S. 50
[10] Dobai 1958, Werksverzeichnis Nr. 12
[11] Nebehay 1969, Abb. 101
[12] Es sei hier Herrn Univ.-Prof Dr. H. Birkan und Frau Mag Christa Dvórak für freundl. Hinweise sehr gedankt.
[13] Frodl 1978, S. 12 f.