Gustav Klimt Zeichnungen
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Bildnis Serena Lederer
Bildnis Serena Lederer 1899 (Band I)
Alice Strobl
Aus Besprechungen der seit 1898 in Secessions-Ausstellungen gezeigten Werke Gustav Klimts geht hervor, dass seine Frauenbildnisse unterschiedlich zu den allegorisch-symbolistischen Darstellungen fast uneingeschränkt selbst bei seinen Gegnern Anerkennung fanden. Einige Kritiker wussten auch die Eigenständigkeit von Klimts Bildnismalerei, seinen persönlichen Porträtstil, gegenüber jenem von Makart, als dessen großen Nachfolger sie Klimt in dieser Disziplin ansahen, hervorzuheben.
Zu den Bildnissen, die besondere Anerkennung bei der Presse fanden, gehörte jenes von Serena Lederer, die zusammen mit ihrem Mann August Lederer, zu den großen Mäzenen des Künstlers zählte. Ihre erlesene Sammlung von Werken Gustav Klimts umfasste sowohl zwei der Fakultätsbilder, »Philosophie« und »Jurisprudenz«, als auch den »Beethovenfries«, »Musik II«, »Schubert am Klavier«, den »Goldenen Apfelbaum«, »Bauerngarten mit Kruzifix«, »Malcesine am Gardasee«, späte Landschaftsdarstellungen, sowie »Wally« und »Die Freundinnen« von 1916/17 [1], um nur die bedeutendsten zu nennen, sowie eine große Anzahl hervorragender Zeichnungen.
Das laut freundlicher Angabe des Sohnes, Erich Lederer, 1899 entstandene Bildnis wurde auf der 10. Ausstellung der Secession im Frühjahr 1901 zum ersten Mal zusammen mit dem Bildnis »Dame in Schwarz« gezeigt, was das Hervorheben des farblichen Kontrastes dieser beiden Bildnisse zur Folge hatte. [2]
Zum ersten Mal wählte Klimt für die Darzustellende ein lose herabfallendes, die Taille nur leicht markierendes Gewand, was wohl im Zusammenhang mit Reformbestrebungen in der Kleidung stand, die von Henry van de Velde (1863–1957) in den Jahren 1896 bis 1898 propagiert wurden und sehr bald auch ihre Auswirkungen auf die Wiener Mode, insbesondere auf Frauen von Künstlern, hatte. [3]
Ebenso wie das Bildnis von Sonja Knips bereitete Klimt auch jenes von Serena Lederer mit einer Reihe von Studien vor, denen zu entnehmen ist, dass Klimt sie von Anfang an stehend darstellen wollte, da keine einzige nachweisbare Studie sie sitzend wiedergibt. Die verschiedenen Skizzen, die sie von vorne, im Dreiviertelprofil oder mit frontalem Körper, das Gesicht nach rechts gewendet zeigen (Kat. Nr. 443), unterscheiden sich vor allem durch die Haltung der Arme und die Anordnung der Schleppe. Wiederum weist die Übertragungsskizze (Kat. Nr. 442) noch nicht die endgültige Lösung auf, was auf eine von Klimt während seiner gesamten Schaffenszeit geübte Gepflogenheit zurückzuführen ist, immer wieder Änderungen anzubringen. Erst im fertiggestellten Gemälde wurde die Schleppe in einer großzügigen Schwingung, einem in der zeitgenössischen englischen Bildnismalerei sehr beliebten Motiv, nach vorn gezogen, was die mittelgroße Gestalt Serena Lederers in ihren Proportionen noch schlanker erscheinen ließ. Es fällt auf, dass sich für die Wiedergabe des Gesichts, die ein Anschließen an die Münchener Bildnistradition verrät, ebenso wie für alle Damenbildnisse des ersten Jahrzehnts, die sich mit bekannten Persönlichkeiten verbinden lassen, keine eigenen Studien erhalten haben, obwohl im gleichen Zeitraum Kopfstudien nachweisbar sind, deren Modelle unbekannt blieben.
Alle Studien für das Bildnis Serena Lederers sind bis auf einige wenige Zeichnungen für »Thalia und Melpomene«, die etwa gleichzeitig, Ende 1898 oder Anfang 1899, entstanden, durch einen von der 1896/97 verwendeten Zeichenweise etwas abweichenden Stil gekennzeichnet. Erstmals treten bei Bildnissen, die in Zusammenhang mit Bewegungsstudien stehen, Tendenzen zu schwingenden Umrissen und Akzentuierungen an den Konturlinien hervor (Kat. Nr. 452).
Das ganze Kleid wird durch senkrechte, parallel verlaufende bis zum Boden reichende Linienzüge gegliedert, die wohl Ansätze zu einem persönlichen Zeichenstil zeigen, aber variiert auch bei Darstellungen Fritz Erlers (1868–1940) oder Josef Rudolf Witzeis (geb. 1867), in der Münchener »Jugend« zu finden sind. Von Bedeutung erscheint es, dass Klimt diese Strukturen auf die Malerei übertrug (Abb. S. 144), indem er in vertikalen Linienströmen Pinselstriche in Hellblau, Mauve, Rosa und Beige alternieren ließ, ähnlich wie er es in der Studie für »Melpomene« (Kat. Nr. 430) mit blauen und roten Kreidestrichen getan hatte. Diese zarten Farben sind es, die das Weiß des Gewandes im Bildnis Serena Lederer so lebendig und gleichzeitig transparent erscheinen lassen. [4] Dadurch unterscheidet es sich sehr wesentlich vom pastosen Farbauftrag in dem Bildnis Whistlers »Symphonie in Weiß, Nr. 1: Mädchen in Weiß« von 1862, Washington, National Gallery of Art, mit dem es von der neuen Forschung in Zusammenhang gebracht worden war. [5] Auch die ganz zarten Schwingungen, welche dieser Gestalt eigen sind und Hevesi veranlassten, sie mit einer langstängeligen Blume, einer schwarzen Tulpe, zu vergleichen [6] , machen Klimts ganz persönlichen Bildnisstil um 1900 aus.
[1] Alle bis auf den »Beethovenfries« 1945 im Schloss Immendorf vernichtet.
[2] Felix Salten, Secession (Der Fall Klimt), Wr. Allg. Ztg. 14. April 1901; Franz Servaes, Secession (Eine Porträtgalerie. - Gustav Klimt), N. Fr. Presse, 10.3.1901
[3] Freundliche Mitteilung von Frau Prof. L. Hampel
[4] Am besten sichtbar in der Farbreproduktion Nebehay 1969, Abb. 280
[5] D. Sutton, James McNeill Whistler, London 1966, Abb. 25
[6] Nebehay 1969, S. 254, Anm. 6